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Hype um Taylor SwiftKapital ist deine beste Freundin

Gefühlte kapitalistische Leichtigkeit! Sogar der durchgespießte Boomer-Onkel ist Taylor-Swift-Fan. Ein fiktives Gespräch über Kapital und Pailletten.

Geldmaschine läuft: „Swifties“ vorm Taylor-Swift-Konzert in Gelsenkirchen Foto: Christoph Reichwein/dpa

M ich nervt dieses Dauergerede über das Wieso-weshalb-Warum des Hypes um Taylor Swift!“, sagt der Freund, wirft einen Eiswürfel in seinen doppelten Espresso und putzt den Handy-Bildschirm eilig mit der Faust.

„Die Leute versuchen eben die gefühlte kapitalistische Leichtigkeit im Keim zu verstehen!“

„Es wird analysiert und sich interessiert, als ginge es um eine Pandemie, so verbreitet sich das ganze erheblich weiter“, sagt die Freundin.

„Und das gendertranszendent.“

„Bei Queers und Heten.“

„Sogar mein durchgespießter Boomer-­Onkel ist Fan.“

„Ich schnall trotzdem nicht, was so speziell daran ist, dass jemand durchschnittlich Harmloses überkapital Karriere macht.“

„Total langweilig.“

„Der Doris-Day-Effekt.“

„Gepaart mit hier und heute.“

„Minus Nazis.“

„Kapitalismus-Bubble eben, Geld machen ist vorgeblich das Interessanteste der Welt, deshalb muss dezidiert was zu ergründen sein an der Geldmaschine.“

„Außer Pailletten.“

„Der Erfolg gibt ihr recht.“

„Das könnte man denken.“

„Wer mit einem strapaziösen und zudem reinen Brotjob hat schon Zeit, sich darüber allzu viele Gedanken zu machen?!“

„Da, wo Erfolg waltet und schäumt, gucken gern viele ganz genau hin, wegen des Geheimnisses.“

„Vielleicht gibt es keins.“

„Sie wirkt nett.“

„Elon Musk nicht.“

„Trump auch nicht.“

„Beyoncé schon.“

Madonna war auch immer eine Menschenfreundin.“

„Müssen Frauen nett sein und Männer fies-irre, um besonders viel Knete anzuhäufen?“

„Es gibt viele nette Frauen und fiese Männer, die gar nicht viel Knete haben.“

„Und fiese Frauen und nette Männer, die so gut wie nix haben.“

„Bei Swift sind es vielleicht diese Glitzeranzüge, gepaart mit einem netten Wesen.“

„Beyoncé trägt die auch.“

„Madonna auch.“

„Lady Gaga auch.“

„Okay, also Frauen müssen meist enge Glitzer­anzüge tragen und Menschenfreundinnen sein, um es im Kapitalismus nach ganz weit oben zu schaffen!“

„Materialistisch idealistisch.“

Kim Kardashian hat zu guter Letzt Jura studiert und holt Unschuldige aus dem Knast.“

„Vorne rum glitzert sie eingeschnürt, hintenrum kämpft sie in Leinenhosen für das Gute.“

„Wie Superman in umgekehrt.“

„Könnte sie nicht auf die Schnelle kandidieren?“

„Irgendwann wird es so kommen.“

„Toxicman ist sie zumindest schon mal los.“

„Kanye war superfies zu Taylor.“

„Mies, misogyn, irre und voll reich.“

„War Angela Merkel fies?“

„Sie trug nie Glitzer.“

„Nix Enges.“

„Einmal hatte sie dieses beeindruckende Dekolleté.“

„Die Empörung war erstaunlich.“

„Weil eine Frau mit politischer Macht nicht zu viel sexuelle Attitüde haben darf?“

„Wenn sexy, dann nur für die anderen, nicht für sich selbst.“

„Taylor tut alles für die anderen.“

„Merkel wollte Deutschland dienen.“

„Angela Merkel kann nicht singen.“

„Woher weißt du das?“

„Und woher weiß man, dass Taylor alles nur für die anderen tut?“

„In meinem Telefon steht, dass sie ihren Fans ständig hohe Summen Geld überweist, also denen, die es nötig haben.“

„Ich hätte es nötig!“

„Aber bist du denn Fan?“

„Ich könne es versuchen.“

„Magst du denn ihre Musik?“

„Ich kenne keines ihrer Lieder.“

„Ich mag Anti-Hero!“

„Alle sehnen sich nach Anti-Helden.“

„Was genau ist ein Anti-Held?“

„Eine Heldin?“

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Jasmin Ramadan
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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