Hurrikan „Matthew“ über Haiti: Zahl der Opfer steigt
Mehr als 280 Menschen sind auf Haiti durch den Hurrikan getötet worden, ganze Landstriche wurden verwüstet. Nun stellen sich die USA auf den Sturm ein.
„Der gesamte Westen der südlichen Halbinsel ist schwer getroffen worden“, sagte Holly Frew von der Hilfsorganisation Care im US-Fernsehsender CNN. Sie rechne damit, dass die Opferzahl weiter steigen werde.
„Matthew“ hatte am Donnerstag wieder an Stärke gewonnen und steuerte Florida mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 210 Stundenkilometern an. Nach Vorhersagen der Meteorologen in Miami sollte er am Abend als Hurrikan der zweitstärksten Kategorie auf einen Kurs nordwärts entlang der Küste einschwenken – in unmittelbarer Landnähe oder möglicherweise auch mit einem Landfall nach Mitternacht zwischen Fort Pierce und Melbourne. Auch die sogenannte Space Coast mit dem Weltraumbahnhof Cape Canaveral galt als besonders gefährdet.
Das Hurrikan-Zentrum in Miami warnte allerdings: Auch wenn das Auge des Sturms auf seinem Zug nordwärts ganz über Wasser bleiben sollte, sei wegen der Küstennähe mit möglicherweise katastrophalen Folgen zu rechnen. „Dieser Sturm wird euch töten“, warnte Floridas Gouverneur Rick Scott und rief die Bevölkerung dazu auf, sich umgehend in Sicherheit zu bringen: „Es geht um Leben und Tod.“
Lebensbedrohliche Wetterbedingungen
Der US-Wetterdienst warnte, die Verwüstungen des Sturms könnten einige Gegenden Zentral-Floridas „für Wochen oder Monate unbewohnbar“ machen. Die Behörde sprach von lebensbedrohlichen Wetterbedingungen in den nächsten Stunden. Hurrikan „Matthew“ sei anders als alle Stürme in den vergangenen Jahrzehnten. Laut CNN hatte die Behörde in dieser Intensität zuletzt vor Hurrikan „Katrina“ 2005 gewarnt.
Der Wirbelsturm der Kategorie 4 hatte Haiti am Dienstag mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 230 Kilometern pro Stunde getroffen. Häuser wurden zerstört, Bäume knickten um, und Straßen wurden überschwemmt. Die besonders stark betroffenen Regionen Sud und Grand'Anse im Südwesten wurden vom Rest des Landes abgeschnitten.
Die Hauptstadt der Region Grand'Anse, Jérémie, sei zu weiten Teilen zerstört, sagte der Länderdirektor der Hilfsorganisation Care, Jean-Michel Vigreux. Alle Telefonverbindungen und die Stromversorgung seien zusammengebrochen. „80 Prozent der Häuser liegen in Trümmern. Die einzige Verbindungsstraße ist unpassierbar, und den Menschen gehen langsam Nahrung und Geld aus.“
Die UN-Blauhelmmission Minustah veröffentlichte Fotos aus Jérémie, die Straßen voller Schlamm und Schutt sowie eingestürzte Mauern zeigen. Nach Angaben der Vereinten Nationen waren 1,5 Millionen Menschen in Haiti von dem Hurrikan betroffen, 350 000 benötigten Soforthilfe. „Unsere größte Sorge ist derzeit, dass wir vermehrt von Cholerafällen in den Überflutungsgebieten hören“, sagte Care-Länderdirektor Vigreux. Die Katastrophenregion brauche möglichst schnell einen Zugang zu sauberen Trinkwasser und medizinische Versorgung. „Im Moment müssen sie in Krankenhäusern ohne Strom versorgt werden.“
Notstand für Bundesstaaten verhängt
Die USA stellten sich auf das Schlimmste ein. Das Hurrikan-Zentrum sprach von einem „extrem gefährlichen Sturm“. US-Präsident Barack Obama verhängte den Notstand für Florida, South Carolina und Georgia. Damit können leichter Mittel aus Washington in die betroffenen Bundesstaaten fließen. Rund 4500 Nationalgardisten zur Hilfe in besonders hart getroffenen Gebieten standen bereit.
Allein in dem Sonnenscheinstaat waren 1,5 Millionen Menschen aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen, und weitere Hunderttausende in Georgia und South Carolina – die größte Zwangsevakuierung seit dem schweren Sturm „Sandy“ im US-Osten im Jahr 2012. Insgesamt wurde für ein Gebiet mit elf Millionen Menschen eine Hurrikan-Warnung ausgegeben. Georgias Gouverneur Nathan Deal ordnete für sechs Bezirke an der Küste Evakuierungen an.
„Bringt euch in Sicherheit, dies ist eure letzte Chance. Bleibt weg von den Stränden“, appellierte Gouverneur Scott an die Küstenbewohner. Erwartet würden schwerste Sturmfluten, Überschwemmungen, Zerstörungen, heftiger Regen und Stromausfälle für Hunderttausende Haushalte.
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