Hungerstreik im Knast: Hungern für die Freiheit

Sieben Insassen im Abschiebegefängnis Grünau verweigern seit Samstag jegliche Nahrungsaufnahme - und hoffen, so ihre Abschiebung verhindern zu können.

Von Paul Wrusch

Seit fünf Tagen hat er nicht mehr gegessen, vier Kilo hat er seither abgenommen. "Ich habe Magenkrämpfe und mir ist ständig schwindlig", sagt Sali Turan, seine Stimme am Telefon klingt geschwächt und verzweifelt. Der 28-Jährige befindet sich im Hungerstreik. Mit fünf anderen Kurden und einem Afrikaner verweigert er seit Samstag jegliche Nahrung. Sie alle fordern ihre Entlassung aus dem Abschiebeknast Grünau.

Offiziell heißt der "Polizeiabschiebegewahrsam Köpenick". Rund 70 Menschen sitzen dort zur Zeit ein und warten auf die Entscheidung über ihre Zukunft. Sie wissen nicht, wie lange sie warten müssen und ob am Ende ihre Abschiebung oder ihre Freilassung steht.

Sali Turan floh vor vierzehn Jahren aus der Türkei weil er dort als Kurde politisch verfolgt wurde. Bis Anfang 2008 wurde er in Deutschlang gedultet, erzählt er. "Seitdem habe ich ohne Papiere hier gelebt, bis sie mich vor drei Monaten festgenommen und in den Knast gesteckt haben." Die Verhältnisse dort seien "schrecklich": Zu sechst lebten sie in einer Zelle, außer 90 Minuten Hofgang täglich und Fernsehen gebe es nichts zu tun. "Man sagt, das sei kein Knast, aber wir sind hier eingesperrt wie Verbrecher", erklärt Turan. Die Gewahrsamsleitung kümmere sich kaum um die Hungerstreikenden. "Einmal war der Chef da und hat gesagt, wir sollen aufhören, das bringe doch nichts", sagt Turan. Ansonsten müssten sie täglich zum Arzt, aber der wiege sie lediglich.

Die Praxis der Abschiebehaft wird von Flüchtlingsorganisationen seit langem kritisiert. "Das sind unmenschiche Zustände. Die Leute vegetieren in völliger Ungewissheit vor sich hin", sagt Ralf Holzapfel von der Initiative gegen Abschiebelager. Das führe zu enormen psychischen Druck. Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat fordert die Behörden auf, mit den Insassen in Kontakt zu treten. "Der Hungerstreik ist ein Hilferuf", sagt er. Es sei schlimm, dass die Flüchtlinge sich in Gefahr bringen müssten, um Gehör zu bekommen.

Weder die Gefängnisleitung noch der Innensenator waren am Mittwoch zu einer Stellungnahme bereit. Auch die Polizei, verantwortlich für das Abschiebegefängnis Grünau, beantwortete eine taz-Anfrage bis Redaktionsschluss nicht.

In der Vergangenheit gab es mehrfach Hungerstreiks in Berliner Abschiebeknästen. Im Frühjahr 2003 hungerten zeitweise mehr als 60 Insassen in Grünau. Die Antirassistische Initiative Berlin dokumentierte innerhalb dieses dreimonatigen Streiks 44 Selbstverletzungen und Suizidversuche. Nur wenige Häftlinge wurden daraufhin freigelassen, viele kamen in Isolierzellen, einige wurden abgeschoben. Einzig die Haftbedingungen wurden damals leicht verbessert, der Hofgang etwa von 60 auf 90 Minuten verlängert.

Auf so etwas kommt es den Hungerstreikenden diesmal allerdings nicht an. "Wir wollen hier raus und nicht nur Bedingungen ändern", sagt Turan. Am Dienstag wurde entschieden, dass er in einer Woche in die Türkei abgeschoben werden soll. Er hungert weiter, "so lange, bis wir alle unser Recht bekommen".

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