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Hungerstreik für Kindergefangene am Golf

■ Direktor von „Terre des Hommes“ fordert Freilassung von minderjährigen Kriegsgefangenen im Irak und Iran / Von der neuesten Gesprächsrunde bei den Genfer Friedensverhandlungen ist kein Durchbruch zu erwarten / Der Irak setzt seine Verschleppungstaktik fort

Berlin (taz) - Pünktlich zu Beginn einer neuen Gesprächsrunde zwischen dem Irak und Iran ist der Direktor des Kinderhilfswerks „Terre des Hommes“, Michel Hoffman, am Donnerstag in Lausanne in einen Hungerstreik getreten. Er will mit seiner Aktion auf das Schicksal von „Hunderten oder gar Tausenden“ minderjähriger Kriegsgefangener in beiden Ländern aufmerksam machen. Hoffman teilte mit, daß er seinen Hungerstreik erst abbrechen werde, wenn die UNO in einer Erklärung die sofortige Freilassung der minderjährigen Gefangenen anmahnt.

Die Friedensgespräche am Genfer Sitz der Vereinten Nationen, die jetzt unter Vermittlung von Generalsekretär Javier Perez de Cuellar wieder aufgenommen wurden, hatten bisher als einziges Ergebnis die Freilassung von 750 Gefangenen erbracht. Aus propagandistischen Gründen hatten beide Länder gelegentlich Gruppen von Alten oder Verwundeten freigelassen. Da Iran und Irak die Kriegsgefangenen einer massiven ideologischen Indoktrination unterzogen, gibt es einige, die nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren wollen. Andere befürchten, im Falle einer Rückkehr für Agenten des jeweils gegnerischen Regimes gehalten zu werden.

Kurz vor dem Waffenstillstand im Golfkrieg im Sommer 1988 wurde die Zahl jugendlicher iranischer Gefangener im Irak im Alter von 15 bis 20 Jahren auf rund 3.000 geschätzt. Viele von ihnen sind bereits vor Jahren als 13- oder 14jährige gefangengenommen worden. Anders als der Iran hat der Irak nie auf breiter Basis Kinder und Jugendliche im Verlauf des achtjährigen Golfkrieges eingesetzt. Zwar mußten Studenten der Ingenieurwissenschaften oder der Medizin an der Front ihre Praktika absolvieren, doch gab es keine Mobilisierung von jungen Freiwilligen, die dann über die gegnerischen Minenfelder gejagt wurden. Die Äußerungen des Direktors von „Terre des Hommes“ über minderjährige Gefangene in beiden Länder dürften damit eher den Gründen der politischen Arithmetik geschuldet sein.

Von den derzeitigen Gesprächen zwischen Perez de Cuellar, dem irakischen Außenminister Tarik Aziz und seinem iranischen Amtskollegen Ali Akbar Velayati ist nicht der große Durchbruch zu erwarten. Der Iran fordert als Vorleistung einen Rückzug irakischer Truppen, die noch auf iranischem Gebiet stehen, sowie die Einrichtung einer Kommission, die die Frage der Kriegsschuld klärt.

Im Falle einer Verurteilung des Irak, der im Herbst 1980 in Iran einmarschierte, käme auf das Regime in Bagdad die Zahlung von Entschädigungen zu. Dies möchte der Irak vermeiden. Außerdem besteht er darauf, daß zunächst die Frage des Zugangs zum Grenzfluß Shatt el Arab geklärt wird. Mittlerweile hat Irak den Fluß bereits auf einer Länge von acht Meilen von Kriegsschutt geräumt, um seinen Anspruch auf Souveränität über das gesamte Gewässer und nicht nur bis zur Mittellinie zu untermauern.

Das Regime in Bagdad zögert außerdem, einen Friedensvertrag abzuschließen, solange sich in Teheran nicht eine starke Zentralmacht etabliert hat, die auch willens ist, eine endgültige Regelung durchzusetzen. Angesichts seiner relativen Stärke ist der Irak zum jetzigen Zeitpunkt nicht bereit, Kompromißbereitschaft zu zeigen; er wird auch bei dieser Gesprächsrunde seinen Verschleppungskurs fortsetzen, der bereits vor fünf Monaten zum Abbruch der Verhandlungen geführt hatte.

b.s.

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