: Hundeklo im Nirgendwo
■ Der Remberti-Ring, lange nach dem Trassenkampf: eine erschütternde Gedenkstätte / taz-Serie zur Bremer Architektur (6)
Man kann es kaum glauben: Noch vor 20 Jahren wurde ernsthaft an Plänen einer breiten Autostrasse gezeichnet, die das halbe Quartier geplättet hätte. Sie sollte vom Remberti-Ring parallel zur Mozartstraße bis runter zur Weser und darüber hinweg führen. Den gesamten ruhenden Verkehr wollte man in Tiefgaragen unterbringen und das ganze mit einer „multifunktionalen Stadtgroßform“ überbauen, die die gesamte Innenstadt zu einem dörflichen Ensemble à la Liliput degradiert hätte und für die Behausung von 25.000 Menschen gedacht war.
Als Mahnung und Vermächtnis blieb uns bis heute der Remberti- Ring erhalten. Diese riesige Stadtbrache, mit der verglichen die Plätze im historischen Kern im Wortsinne wie „gute Stuben“ wirken, ist eine echte Herausforderung. Die Ränder sind ausgefranst, und diese ganze Wunde ist mit so mieser Architektur umstellt, daß Oma und Opa auf dem Wandgemälde nebenan bestimmt schon längst ihr Fenster vor Abscheu geschlossen hätten, wenn sie könnten.
Man sollte die Einöde reparieren, bevor Däniken sie zu einem Ufo-Landeplatz umdeutet und spätere Generationen sich darüber Gedanken machen, warum eigentlich noch am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts sektiererische Autofahrer auf rituellen Prozessionen das vergiftete Grün eines riesigen Hundeklos umrundeten. Ein Sanierungs- und Bebauungswettbewerb ist angesagt!
Schon wird nämlich im Rathaus der Bedarf von 16.000 Wohnungen prognostiziert, und lohnabhängige ExpertInnen radieren fleißig am Flächennutzungsplan und an Bebauungsplänen herum, damit am Rande unserer Stadt bald die letzten wertvollen Grünflächen unter Beton und Asphalt begraben werden können. In der Osterholzer Feldmark, in Gramke-West, an der Franz-Schütte- Allee in Oberneuland — und selbst im Hollerland stehen die Zeichen auf Sturm.
Bevor überhaupt ein einziges Stück am Rande der Stadt den Spekulanten und Bauwütigen geopfert wird, sind alle Baulücken in der Innenstadt und alle Möglichkeiten einer sinnvollen Verdichtung zu nutzen. In bester Lage und mitten in der Stadt wäre auf und rund um den Remberti- Ring Platz für Geschäfte und Büros und für mindestens 200 Wohneinheiten.
Und wenn man schon dabei ist, könnte man den Verkehr auch gleich ganz rausnehmen und die Hochstraße für Radfahrer und Skateboard-Artisten freigeben. Darunter eine verglaste Kulturmeile und vorm Bahnhof die überdeckten Busstationen für die solarbetriebenen Elektrobusse, die alle 5 Minuten durch die verkehrsberuhigte Innenstadt runter zur Weserpromenade mit den vielen Cafes und dem Blick auf den Yachthafen fahren. Das müßte doch möglich sein — in Verbindung mit der „Öko-Stadt im Europahafen“ mit 2000 Wohnungen, die dort unter Nutzung umweltverträglicher Baustoffe gebaut werden könnten.
Vor zwanzig Jahren ging es um
Zum Vergleich einmal weiß auf schwarz: Links die kleinräumigen, fein gegliederten Plätze der Innenstadt, rechts die glotzende Riesenbrache des Rembertikreisels.Graphik: taz
die autogerechte Stadt. Die Verwüstung war groß, die Reue lang, und umso weniger ist getan worden. Fast alle bisherige Geschichte war eine Geschichte von Trassenkämpfen. 1967 waren die Bauarbeiten am Remberti-Ring
„Man sollte die Einöde reparieren, bevor Däniken sie zu einem UFO-Landeplatz umdeutet“
und die geplanten Straßendurchbrüche Richtung Weser noch voll im Gange. Die nach dem Bombenhagel des Krieges noch immer aufrechtstehende Ruine der Remberti-Kirche war abgeräumt, und auch die Hochstraße war bereits gebaut, flankiert von Hoch- und anderen Parkhäusern mit vollgeschissenen Eingängen. Und Bremen hatte immer noch nicht das Image einer Weltstadt.
Dr. Franz Rosenberg, bis 1970 oberster Baubeamter der Stadt,
hierhin bitte
den „Stadtplan“
legte später ein Geständnis ab: „Für die Hochstraße als Bauwerk war eine formal elegante Form gefunden worden, und die entlastende Funktion für den Bahnhofsvorplatz war evident. Trotzdem war ich entsetzt, als ich die Hochstraße zum ersten Male befuhr, denn von einem Raumerlebnis konnte keine Rede sein, weder für den Autofahrer oben noch unten auf dem Straßenniveau des Breitenweges. Es war ein schmerzhafter Mißerfolg und es gab keine Entschuldigung, ich hatte mich vollkommen getäuscht, und daß ich mich in guter und zahlreicher Gesellschaft befunden hatte, war kein Trost.“
Nachdem eine Handvoll Bausgesellschaften für den Trassendurchbruch bereits bereits halbe Straßenzüge abgeräumt hatten, wachte die Basis endlich auf. Trassenkampf war angesagt! Nach langem, zähem Ringen und Rangeln wurde 1973 das Vorhaben der mutwilligen Stadtzerstörung schließlich gekippt. Seither
ist im Viertel sorgfältige Stadtreparatur betrieben worden, und siehe, die alten Bremer Häuser und ihre neuen Nachbarn vertragen sich.
Gerade vor einer Woche wurde auf der Senatssitzung für das Gebiet Am Dobben und im Rücken der taz eine Erhaltungssatzung beschlossen, um zu verhindern, daß dessen bauliche Eigenart verändert oder mittels neuerlicher Ein- und Übergriffe zerstört wird. Drücken wir die Daumen! urbi
PS: Unser Dorf soll schöner werden!
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