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Humanitärer Todesschuß

■ Bundeswehrsoldaten töteten einen Somalier, der in das Lager in Belet Huen eingedrungen war

Bonn (dpa/taz) – Deutsche Blauhelm- Soldaten erschossen in der Nacht zum Freitag einen Somalier, der versuchte, in das Betriebsstofflager des Stützpunkts der Bundeswehr in Belet Huen einzudringen. Wie der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Hans-Dieter Wichter, gestern in Bonn erklärte, hätten die Wachsoldaten zuvor mehrere Warnschüsse auf zwei Somalier abgegeben. Die Situation sei deswegen besonders gefährlich gewesen, weil dort hochexplosive und leicht entzündbare Treibstoffe deponiert seien.

Der erste schwere Zwischenfall im Bundeswehrlager seit dem Einsatz des deutschen Kontingents in Somalia im Frühjahr letzten Jahres hat sich nach Darstellung von Wichter um 2 Uhr Ortszeit, 0 Uhr MEZ, ereignet. Er habe sich folgendermaßen abgespielt: Von Beobachtungstürmen zwei Kilometer vom deutschen Camp entfernt wurden die beiden Somalier mit Nachtsichtgeräten bei ihrem Diebstahlversuch im Depot entdeckt. Daraufhin wurde im Lager Alarm geschlagen und Leuchtspurmunition abgefeuert. Nach den „Regeln für den Waffengebrauch im deutschen Unterstützungsverband Somalia“ wurden Warnschüsse in die Luft gefeuert. Die Somalier hätten darauf nicht reagiert. Danach gab es noch einmal Warnschüsse, aber wieder keine Reaktion, den Versuch aufzugeben, weiter vorzudringen. „Aus der Situation heraus ergab sich jetzt keine andere Lösung, als die Schußwaffen zu gebrauchen“, schilderte Wichter.

Von zwei Wachtürmen, die sich am Lager selbst befinden, wurden aus etwa 200 Meter Entfernung mit Gewehren Schüsse in Richtung der Eindringlinge abgegeben. Dabei wurde einer der beiden Somalier getroffen.

Der unverzüglich herbeigerufene Arzt konnte nur noch den Tod feststellen. Der andere Somalier habe entkommen können. Ob die beiden bewaffnet waren, sei nicht bekannt.

Der Kommandeur des deutschen Verbandes, Oberst Holger Kammerhoff, hat nach dem Vorfall die humanitäre Hilfe für Belet Huen unterbrochen. Der Stopp gilt so lange, bis der Zwischenfall mit den somalischen Clan-Führern geklärt ist. Wie Wichter erläuterte, ist Kammerhoff sofort mit den somalischen Stammesältesten zusammengetroffen, um die Situation zu erörtern. Auch wurden umgehend Beratungen mit den Vertretern der Vereinten Nationen aufgenommen. Wichter versicherte, daß alles getan werde, um den Zwischenfall restlos aufzuklären. Es handele sich um einen „tragischen und beklagenswerten Vorgang“. Die deutschen Soldaten hätten aber angesichts des Vorgehens der beiden Somalier nicht anders handeln können. Die Lage in Belet Huen sei gestern „weiter ruhig“ geblieben. Bonn gehe davon aus, daß mit den „Clan-Führern in Belet Huen vernünftig gesprochen werden kann“.

Bündnis 90/ Die Grünen forderte die Bundesregierung auf, das deutsche UNO- Kontingent sollte umgehend und vollständig aus Somalia zurückgezogen werden. Der SPD-Wehrexperte Walter Kolbow erklärte, die Bundesregierung müsse umgehend alles in ihrer Macht stehende tun, um den Tod des Somaliers „mit den Angehörigen nach der Sitte des Landes zu regeln“.

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