Huchting: Für die Freizeit geschlossen

■ ABM-Kürzung und Sparmaßnahmen treffen zentrale Einrichtungen eines Modellprojektes

„Wir werden hier eine rechte Szene kriegen, die nicht mehr zu kontrollieren ist.“ Wulf-Traugott Kruse, Pastor und Vereinsvorsitzender der „Aktion Kultur und Freizeit“ in Huchting und Grolland, malt den Teufel an die Wand. Der Sodenmattsee in Huchting ist verseucht, niemand kann dort mehr baden gehen, das Schwimmbad im Viertel soll geschlossen werden: Wenn jetzt auch noch das Angebot des Bürger-und Sozialzentrums (BuS) durch politische Ignoranz und falsches Sparen gefährdet werde, so der Pastor, sei das Schlimmstes für den Stadtteil mit seinen 32.000 Einwohnern zu befürchten.

Denn im sozialen Brennpunkt Huchting treffen die ABM-Streichungen eine „Zukunftswerkstatt am Stadtrand“, die von Öffentlichkeit und Politik bisher wenig wahrgenommen wurde. Besonders deutlich habe sich das Anfang der Woche gezeigt, als die zuständige Senatorin Helga Trüpel ihre Teilnahme an einer Beiratsitzung zum BuS absagte, ihr Ressort drei Stunden vor der Sitzung sich die Konzepte des Zentrums zum vierten Mal faxen ließ.

Das BuS ist ein nichtstaatliches Bürgerzentrum. 18 Einrichtungen aus Kultur, Ökologie, Behindertenarbeit, kommunalen Diensten und Selbsthilfeprojekten gehen hier eine modellhafte Verknüpfung ein. Mit den herkömmlichen Bürgerhäusern mit je hauptamtlichem Leiter hat das Huchtinger Zentrum wenig gemein. Entsprechend schwer tut sich die Behörde im Umgang mit dem BuS, auch wenn sie für 1993 erstmals und auf ein Jahr begrenzt 120.000 Mark Personalmittel bereitstellt.

Damit bekommt der Trägerverein des Sozialzentrums endlich ein Standbein. Er hat bisher ehrenamtlich die 3.000 Quadratmeter große Anlage koordiniert und mit den Nutzern Projekte weiterentwickelt. „Aber was nützt hier ein hauptamtlicher Kopf, wenn den vitalen Gliedern des Zentrums die Luft abgeschnürt wird?“ empört sich Kruse.

Vor allem der Verein „Arbeit und Ökologie“, der mit 20 über 50jährigen Langzeitarbeitslosen die Außenanlagen des Zentrums saniert hat, in Ordnung hält und zu einer ökologischen Idylle machte, hängt von Stammkraft und Anleitern ab. „Mit Kompostverkauf und Nachbesserungsarbeiten im

Eines von 18 Projekten: Holzwerkstatt des Vereins Arbeit und ÖkologieFoto: Katja Heddinga

Wohnumfeld erwirtschaften wir zwar Eigenmittel, die reichen zur Existenz aber nicht aus“, berichtet Klaus-Peter Sieling von „Arbeit und Ökologie“. Betroffen ist spätestens ab März auch der Kulturladen, der mit Tanzkursen für Kinder, Gesprächskreisen und Altentheater die Stadtteilkultur prägt.

Huchting hat mit über zehn Prozent einen überdurchschnittlich hohen Ausländeranteil, überdurchschnittlich viele DVU-WählerInnen und rechte Jugendgruppen (Skins und Hooligans). Seit einem dreiviertel Jahr steigt die Zahl der SozialhilfeempfängerInnen, die Sozialhilfeabteilung des Ortsamtes verzeichnet allein 1.780 Fälle, hinter denen sich zum Teil dreiköpfige Familien verbergen. Ein Großteil der Huchtinger Ein

hier bitte den Mann

in der Holzwerkstatt

wohnerschaft ist für's Überleben auf das „Soziale Netz“ angewiesen. Teure Freizeitangebote kann da kaum jemand wahrnehmen.

Gerade vor diesem Hintergrund könnte das Zentrum mit seiner einzigartigen Struktur zum Vorzeigeprojekt für Bremen werden. In den vergangenen drei Jahren sind 18 inhaltlich und rechtlich selbständige Einrichtungen in die Pavillons auf dem ehemaligen Schulgelände der Amersfoorter Straße eingezogen: der Verein „Arbeit und Ökologie“, ein Jugendclub für rechtsorientierte Jugendliche, das Mütterzentrum als Selbsthilfeprojekt für die vielen Alleinerziehenden in Huchting, ein Kinderladen, der Kulturladen, eine stadtteilbezogene Medienwerkstatt uvm. Zusätzlich unter

hält die Sozialbehörde mittlerweile zwei Dienststellen in dem Zentrum: das Haus der Familie und die Beratungs- und Anlaufstelle des Amtes für Soziale Dienste Süd. Die Arbeiterwohlfahrt betreibt ein Wohnheim und eine Tagesstätte für Behinderte, von denen viele aus dem aufgelösten Kloster Blankenburg kommen. Die Turnhalle der ehemaligen Schule wurde in Trägerschaft des TuS Huchting gegeben. Für die Aula, einziger öffentlicher Saal in Huchting, wird jetzt eine neue Nutzung gesucht, da die Stadtbücherei nach einjährigem „Gastspiel“ in ihre asbestsanierten Räume zurückzieht.

Aus diesem Miteinander von professioneller und Laienarbeit, von institutionalisierter Arbeit und Prinzipien der Selbsthilfe ist ein integratives Sozialzentrum entstanden. Es wendet sich ausdrücklich gegen die Isolierung und Stigmatisierung sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen - stadtteilbezogen.

„Vielfalt unter einem Dach“ ist der Titel einer Broschüre, die die Sozialwissenschaftlerin Katja Rochmann im Auftrag des Kulturladens gerade über das Bürger- und Sozialzentrum verfaßt hat. Damit versucht das Zentrum einen weiteren Schritt aus seinem Schattendasein, das noch nicht einmal Geld für Hinweisschilder erhalten hat. Die Adresse ist: Amersfoorter Straße 8. Birgitt Rambalski