Hotdog-Reste auf New Yorks Straßen: Krabbelnde Müllabfuhr
Hunderte Tonnen Abfall werden in New York jährlich von Insekten gefressen. Nützliche Nebenwirkung: Es bleibt weniger für Ratten.
RALEIGH dpa | Insekten und andere Krabbler spielen als Straßenreiniger eine wichtige Rolle. Allein auf den Mittelstreifen von Broadway und West Street in New York City schaffen sie Essensreste in einem Umfang von jährlich etwa 60.000 Hotdogs weg, berichten Wissenschaftler im Fachblatt Global Change Biology.
Die krabbelnde Abfallbeseitigung habe einen positiven Nebeneffekt: Je mehr Essensreste die Tiere vertilgen, desto weniger bleibe für Ratten und Tauben. Sie arbeiteten somit auch als Schädlingsbekämpfer.
Um die Rolle der Krabbler als Müllabfuhr genauer zu untersuchen, bestimmten die Forscher um Elsa Youngsteadt von der North Carolina State University in Raleigh zunächst, welche Arten von Gliederfüßern in den Parks und auf den Mittelstreifen des New Yorker Stadtteils Manhattan vorkommen. Zu den Gliederfüßern zählen neben den Insekten zum Beispiel Tausendfüßer und Spinnentiere. Die Forscher maßen auch die Temperatur und Feuchtigkeit der Grünflächen sowie die Dicke der Laubschicht.
Dann begannen sie mit dem eigentlichen Experiment: Sie verteilten Chips-, Keks- und Hotdog-Reste an ausgewählten Stellen auf den Grünflächen. An jedem Ort legten sie die Nahrungsmittel zum einen offen aus, zum anderen in einem Gitterkäfig, der nur für die kleinen Krabbler zugänglich war. Das Ganze machten sie zweimal: einmal mit kleinen Essensresten, einmal mit größeren Stücken. Nach jeweils 24 Stunden ermittelten sie, wie viel der Essensreste noch übrig waren.
Arbeitspause im Winter
Sie fanden, dass die Krabbler kleinere Essensportionen innerhalb eines Tages vollständig entsorgen konnten, größere Stücke hingegen nicht. „Wir haben errechnet, dass die Gliederfüßer allein auf den Mittelstreifen von Broadway und West Street jährlich mehr als 950 Kilogramm weggeworfenes Junkfood konsumieren können – eine Arbeitspause im Winter eingerechnet“, erläutert Elsa Youngsteadt in einer Mitteilung der Universität.
„Das ist nicht nur eine alberne Tatsache. Das zeigt eine echte Dienstleistung dieser Gliederfüßer auf. Sie entsorgen wirkungsvoll Müll für uns.“
Überraschend war für die Forscher, dass die Krabbler der Mittelstreifen mehr Essen vertilgten als die der Parks – trotz der deutlich geringeren Artenvielfalt zwischen den Fahrbahnen. Sie erklären dies vor allem mit der weiten Verbreitung der Pflasterameise (Tetramorium sp.) auf den Mittelstreifen.
Vor 100 Jahren eingeschleppt
Wo immer diese vor etwa 100 Jahren nach Nordamerika eingeschleppt Art vorkomme, würden zwei- bis dreimal mehr Essensreste entsorgt als an Orten ohne sie, berichten die Forscher.
Auch an heißeren und trockeneren Orten war die krabbelnde Müllabfuhr besonders effektiv. Die Art der vorkommenden Gliederfüßer und die Eigenschaften des Lebensraums spielten eine größere Rolle bei der Abfallbeseitigung als die Vielfalt unter den Krabblern.
Wenn auch Wirbeltiere wie Ratten, Vögel, Eichhörnchen und Waschbären Zugang zu den Nahrungsresten hatten, wurde insgesamt mehr davon entsorgt. Beide Gruppen konkurrierten um den Abfall, schreiben die Forscher. Was die Arthropoden verzehrten, stehe den Wirbeltieren nicht mehr zur Verfügung. Dies könne die Zahl von Wirbeltieren begrenzen helfen, die Krankheiten auf den Menschen übertragen können. Urbanes Grünflächen-Management, das Ameisen vor Ratten begünstige, nutze somit der öffentlichen Gesundheit.
Der Hurrikan „Sandy“, der 2012 über New York gefegt war und zu großflächigen Überschwemmungen geführt hatte, beeinträchtigte die Abfallbeseitigung durch die Gliederfüßer nicht messbar, so ein weiteres Resultat der Studie. Ihre Ergebnisse verdeutlichten den Wert, den selbst kleine Grünflächen in urbanen Räumen besitzen, schreiben die Forscher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid