Honorarkonsul im Visier von Interpol: Ein Konsul als Wanted Person
Der Senat und das Auswärtige Amt beschäftigen sich mit dem Vorleben des Honorarkonsuls Thomas Gerkmann. Gegen den besteht in den USA ein Haftbefehl
Thomas Gerkmann, Bremer Honorarkonsul der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien, hat genau den Beruf, den ein ehrenamtlicher Konsul in früheren Zeiten immer gehabt hat: Er ist Kaufmann. Gerkmann leitet die Geschäfte der seit über hundert Jahren in Bremen ansässigen Firma Undütsch, ein Groß- und Außenhandel für Schulausstattung, Laborbedarf, Bücher und Industrieersatzteile. Dadurch verfügt er über enge und gute Kontakte nach Äthiopien und die wiederum waren der Grund für seine Ernennung zum Konsul im Juli vergangenen Jahres. Ein ehrenvoller Posten für einen verdienten Kaufmann. In den USA freilich hat Gerkmann sich als Kaufmann nicht ganz so verdient gemacht: Dort besteht seit über drei Jahren ein Haftbefehl gegen ihn – wegen der Einfuhr falsch deklarierten und mit illegalen Zusatzmitteln versehenen Honigs.
Sowohl das 39-seitige Ermittlungsergebnis des Falls, die 70-seitige Anklage gegen die Firma Alfred L. Wolff (ALW) mit Sitz unter anderem in Hamburg und Hong Kong sowie gegen ein knappes Dutzend ihrer MitarbeiterInnen – unter ihnen Thomas Gerkmann – und eine „Wanted People“-Liste von Interpol, auf der Gerkmann ebenfalls verzeichnet ist, sind ohne Probleme im Internet zu finden. „Das war im Zuge seiner Ernennung zum Konsul allerdings nicht der Fall“, sagt dazu Birgitt Rambalski, Protokollchefin der Bremer Senatskanzlei.
Durchaus habe man nämlich damals in die einschlägigen Suchmaschinen den Namen des potentiellen Honorarkonsuls eingegeben – und nichts gefunden, das Anlass zur Sorge geboten hätte. Und auch das polizeiliche Führungszeugnis, der Zentralregister-Auszug und die Prüfung bei der Handelskammer hätten ergeben: „Da war alles in Ordnung.“
Das Hamburger Unternehmen Alfred L. Wolff (ALW) gilt als einer der größten Honighändler in Deutschland. Frühere Verantwortliche der Nordamerika-Niederlassung von ALW, unter anderem Thomas Gerkmann, haben laut Staatsanwaltschaft Illinois Honig aus China vor dem Import in die USA umdeklarieren lassen.
Durch veränderte Herkunftsbezeichnungen sollen insgesamt 15 Beschuldigte Zölle in Höhe von 80 Millionen US-Dollar umgangen haben. Außerdem sollen sie falsche Laborberichte bestellt haben, um die Ware trotz darin enthaltener Antibiotika verkaufen zu können.
Zu Prozessbeginn im Jahr 2010 befanden sich Thomas Gerkmann und acht weitere Angeklagte nicht mehr in den USA. Sie wurden in Abwesenheit angeklagt wegen Honigschmuggels, Fälschung von Papieren und Verstößen gegen Bestimmungen zur Nahrungsmittelsicherheit.
Neben ALW sollen noch weitere sechs Firmen in den Honig-Betrug verwickelt gewesen sein.
Juristisch betrachtet ist es das auch immer noch, zumindest in Deutschland: „Wir haben geprüft“, sagt Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, „ob hier in eigener Zuständigkeit ermittelt werden muss und sind zu dem Ergebnis gekommen: Nein, das deutsche Recht wurde hier nicht tangiert.“ Berührt worden seien lediglich Einfuhr- und Zollbestimmungen der USA. Gerkmann hat in Deutschland also eine weiße Weste, „aber in den USA würde er wohl Probleme bekommen“, so Passade. Dort war Gerkmann bis 2006 als Vetriebsleiter von AWL tätig.
„Für uns“, sagt Rambalski, „ist maßgeblich, was die Staatsanwaltschaft gesagt hat.“ Und für Thomas Gerkmann auch. „Ja“, sagt der Konsul, „ich werde von Interpol gesucht, aber ich habe die Sache einer Rechtsanwalts-Kanzlei übergeben, um die Vorwürfe aus der Welt zu schaffen.“ Wohl eher aus dem Internet, denn, so Rambalski, „da Herr Gerkmann in Deutschland juristisch nicht verfolgt wird, muss die Fahndung theoretisch aus den internationalen Suchmaschinen verschwinden – darum wird er sich jetzt wohl bemühen.“ Ob dem tatsächlich so ist und was er selbst zu den Vorfällen in den USA zu sagen hat, war nicht in Erfahrung zu bringen: Entsprechende Anfragen der taz blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Und auch das Auswärtige Amt hält sich bedeckt. „Der Fall wird zurzeit in enger Abstimmung mit den Bremer Behörden geprüft“, heißt es dort. Letztlich schlüge aber der Entsendestaat, in diesem Falle also Äthiopien, sowohl einen Konsul als auch seinen Aufgabenbereich vor und er entscheide normalerweise auch über das Ende seiner Amtszeit. In Berlin habe man bei der Ernennung des Honorarkonsuls jedenfalls nichts vom US-Haftbefehl gegen Gerkmann gewusst, das Auswärtige Amt habe sich dabei auf die Recherchen der Bremer Behörden verlassen.
„Die Frage, ob man an Herrn Gerkmann als Konsul festhalten will“, sagt Birgitt Rambalski, „hängt an feinen diplomatischen Abwägungen und kann nur vom Auswärtigen Amt und der Äthiopischen Botschaft beantwortet werden.“ Für den Bremer Senat bestehe im Zweifel immer die Unschuldsvermutung.
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