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Homophobie im FußballWie Angst und Seife schwinden

Zwei Forscherinnen zeigen, wie es um die Homophobie im Fußball bestellt ist. Sie schlagen vor, Blutgrätschen bei den Frauen zu erlauben.

Spielerinnen und Trainerin des Fußball-Nationalteams. Bild: dpa

Diese Rolle wird ihm Ruhm einbringen, weit über alles Sportliche hinaus - und wer sie will, muss ausgesprochen selbstverliebter, gleichwohl robuster Natur sein: die des ersten offen schwulen Berufsfußballers in Deutschland. Denn keine Figur wird im Fußball selbst wie auch im begleitenden Mediendiskurs so sehr ersehnt: dass da endlich mal einer bekennt, sich offenbart, sich irgendwie entblößt: Ja, ich bin schwul - und habe keine Angst vor dem Schmäh, der über mich ausgeschüttet wird.

Aber diese Figur ist am fußballerischen Horizont nicht einmal zu ahnen. Warum das so ist, entblößen auf wissenschaftliche Art die Soziologinnen Nina Degele und Caroline Janz in der am Donnerstag öffentlich vorgestellten Studie zu Homophobie, Rassismus und Sexismus im Fußball. Titel: "Hetero, weiß und männlich? Fußball ist viel mehr!"

Die Autorinnen haben zunächst einen sehr fundierten Überblick zum Thema verfasst, sie haben das zu Wissende knapp und gut erläutert zusammengefasst: Weil Fußball ein männlicher Mannschaftssport war und ist und weil in ihm emotionale Enthemmungen zum Ausdruck kommen, muss er, allen nahkörperlichen Kontakten zum Trotz, als strikt antihomosexuell, ja asexuell überhaupt codiert werden. Würde der Fußball nicht so krass heterosexuell fantasiert werden müssen, könnte er nicht so populär sein. Schwulsein zerstört die Aura des Männlichen, wie sie in unseren Breiten ein stummer Zwang ist - "schwul" gilt entsprechend als gröbste Beleidigung von gegnerischen Spielern oder Schiedsrichtern. "Schwul" bedeutet weich und weibisch, also nichtmännlich.

Beim Frauenfußball, das dem Publikum vom 26. Juni an hierzulande in Form der Weltmeisterschaft nahegebracht wird, verhält es sich anders: Lesbische Frauen sind nicht so schlimm. Es ist vielmehr schlimm genug, überhaupt als biologisch weibliche Person Fußball zu spielen. Frauen sollen nicht kämpfen, nicht ins körperlich Aggressive sich verlegen - denn das widerspreche ihrer Natur. Das Lesbische ist in diesem Kontext nur der Faktor, dass das ohnehin Missliche noch krönt.

Knapp zwei Dutzend Gruppendiskussionen

Woher das Degele und Janz wissen? Haben sie nur klischeebehaftete Theorien gestrickt, die nur plausibel klingen müssen? Nein, im Gegenteil. Jenseits der problembewussten Aufklärungsabteilung des Deutschen Fußball-Bundes, die, vor allem in Person seines Präsidenten Theo Zwanziger, heftig um ein Coming-out buhlt und antihomosexuelle Tiraden in den Stadien verstummt sehen will, haben die Forscherinnen Menschen interviewt. Knapp zwei Dutzend Gruppendiskussionen haben sie geführt - dem Volk quasi auf die Mäuler geschaut.

Und da wird anders geredet, als der DFB es gern hat: ängstlich, klamm, abweisend, das Homosexuelle, auch das Weibliche abweisend. Aber es scheint - für schwule Männer wie für Frauen - nicht mehr so horribel wie einst. Einige Anekdoten deuten, bei aller Nervosität der Sprechenden, eine gewisse Änderung an. Hübscheste Bemerkung: Vielleicht könne man ja doch unter der Dusche mit Schwulen sein, denn die Seife von früher, die auf den Boden kullern könnte, woraufhin man sich nicht bücken möchte, wenn ein Homo auch unter den dampfenden Wässern steht, gebe es ja nicht mehr. Nun habe man Duschgels, und die fallen offenbar, so die Fantasie, nicht mehr so glitschend aus den Händen.

Am Ende machen Degele und Janz Vorschläge zur Entspannung: Schiedsrichter sollen Frauenspiele nicht mehr so empfindlich pfeifen - also Blutgrätschen in Maßen tolerieren. Und bei Schwulen empfehlen beide eine feine Geste: Wenn schon niemand sich outen wolle, könnten doch elf Spieler am Ende einer Saison sich als schwul bekennen, ob sie es nun sind oder nicht. Klingt das pädagogisch allzu anspruchsvoll? Wenn kein Kicker mehr Probleme hätte, für schwul gehalten zu werden, existiert die Matrix des Heterosexuellen längst nicht mehr.

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11 Kommentare

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  • M
    mazza

    lesbophobie und homophobie werden weiterhin auch in der sog. männerdomäne fußball gelebt. den vorschlag, die blutgrätsche im frauenfußball zu erlauben, finde ich nicht gelungen. im gegenteil: warum sollen wir frauen uns genau so brutal im team-sport verhalten wie wir es vom männerfußball häufig gewohnt sind? wir wollen fußball SPIELEN und nicht zu einer fussball-treter-liga verkümmern. und warum wird immer von "sexueller" orientierung gesprochen. lesbischsein und lesbisches leben ist mehr als eine " sexuelle " vorliebe.

    wie die lesben-zeitschrift l-mag zu recht schreibt:

    "fußball ist zum integrationsmotor für frauen mit migrantischen wurzeln geworden - fußball als integrationsmuster für lesben ist tabu. der frauenfußball wurde schließlich geprägt von lesben - immer mehr heterosexuelle frauen spielen gerne fußball und können dabei offen hetero sein ."

    warum soll ich also schweigen, wenn ich lesbisch oder schwul bin? auch als lesbe finde ich das outing wichtig, damit man/frau bei mir nicht von falschen voraussetzungen ausgeht.

  • W
    wllibald

    Ich finde, Fußball ist kein Sport für Mädchen. Es fördert schlechte Charaktereigenschaften. Erfolg hat nur wer sich mit Gewalt gegen andere durchsetzt, wer ein Foul nicht scheut, wer danach so tut, als wäre er unschuldig usw. Körperlich verlangt es gelegentlich völlige Verausgabung bis zur Erschöpfung, ordentliche Aggression, unhöfliches Verhalten. Die Verletzungsgefahr ist groß. Im Vereinsleben fördert es wie bei den Männern das Saufen. Ich finde, das könnten sich die Mädchen ersparen.

  • E
    egal

    An Rheingeist: bitte lassen Sie das abwertende Wort ' weibisch ' aus dem Spiel.Wie wäre es mit dem androgynen Wort verweichlicht ?Oder ruft diese Zuordnung nicht auch schon eine geschlechtliche Assoziation herauf ?Ausserdem sind wir hier gerade bei weiblicher Homosexualität.Und auf den Text zurückzukommen, wird diese gerade wieder unsichtbar gemacht, obwohl gerade Lesben den ( Frauen) Fussball sichtbar gemacht haben.Aber damit lässt sich ja kein Geld verdienen.

  • RW
    Rolf W.

    @ Richard Wolf:

     

    Wenn Sie da drüber stehen; Glückwunsch. Die Mehrheit tut es nicht und macht einer Minderheit damit das Leben zur Hölle. Solange es Ressentiments und Diskriminierung gibt, sollte das auch thematisiert werden.

     

    Ihre "Ruhe" ist wirklich nicht das wichtigste, und wenn Sie die Thematisierung von "derlei" so sehr stört, sollten Sie sich vielleicht Gedanken darüber machen, warum dem so ist... oder einfach nicht mehr entsprechende Artikel lesen?

  • S
    Seifenverlierer

    In meinem Kampfsportverein hat niemand ein (offenes) Problem damit, dass ich mich offen zu meiner Homosexualität bekenne. Es hat auch keine Angst, ich könne über ihn herfallen unter der Dusche. Allerdings ist es im Kampfsport wohl auch nicht anders als im Fußball: je höher die Klasse, desto weniger offen wird mit dem Thema umgegangen. Da unterscheidet sich der Sport auch nicht von der Politik oder anderen Gruppen: Man fürchtet, Fehler zu machen, Unterstützung zu verlieren. Da zeigt sich vermeintliche Stärke dann letztlich als Schwäche. Jeder muss selbst wissen, wofür er stehen und einstehen will. Solange im Jugendsport die Akzeptanz nicht konsequent vorgelebt wird, kann auch keine tolerante Generation nachwachsen. Wobei sich die Frage erhebt, wo das größere Problem liegt: in den Vereinen selbst oder bei den sogenannten Fans.

  • T
    Thomas

    Tach Herr Wolf, auch wenn ich langsam das Gefühl habe, in einer Echokammer zu stehen, hier nochmal extra für Sie, ganz langsam und zum Mitschreiben: Der Welt die eigenen sexuellen Präferenzen mitzuteilen, ist völlig normal und wird in der Regel nicht als lästig empfunden. Denn heterosexuelle Fußballspieler, Politiker und sonstige Prominenzen zeigen der Welt mit jeder Hochzeit und jeder Fortpflanzung, wie unglaublich heterosexuell sie sind. Nur wenn Homosexuelle ganz normal zu ihrem Lebensstil stehen, wie Heteros das jeden Tag tun, wird von Leuten wie Ihnen ein Trara draus gemacht, und plötzlich ist man furchtbar diskret und will das alles gar nicht wissen. Das, lieber Herr Wolf, ist lupenreine Homophobie, es ist diskriminierend und heuchlerisch. Davon haben wir schon lange die Schnauze voll, das lassen wir uns nicht mehr gefallen.

  • F
    Fußballschnecke

    Leider wird hier nicht darauf eingegangen, wie groß der Anteil von Fußballspielern unter den homophoben Raggae/Dancehall-Sängern ist, auch nicht wie groß der Anteil Raggae/Dancehall-Musik bevorzugender Frauen unter den lesbischen Fußballerinnen ist.

  • G
    gerd.

    "Wenn schon niemand sich outen wolle, könnten doch elf Spieler am Ende einer Saison sich als schwul bekennen,"

    Man könnte natürlich auch vor jedem Spiel einen Quotenschwulen auslosen... aber im Ernst, ich glaube auch, dass es am ehesten ein Outing geben wird, wenn sich eine Gruppe Schwule zusammentut und sich die anschließende Presseaufmerksamkeit ein wenig verteilt (auch auf mehrere Vereine). Ist nur die Frage, wie die schwulen Profifußballer überhaupt voneinander erfahren, weil sich ja niemand outet.

     

    @Richard Wolf

    "Und es wäre mir sehr lieb, man würde mich - auch von Presseseite - mit derlei in Ruhe lassen."

    Die betroffenen Spieler haben aber ein massives Problem, weswegen es gut ist, dies weiter zu thematisieren, bis sich eine Normalität einstellt, dass sich Spieler outen und ganz normal leben können.

  • PH
    Philipp Hentschke

    Aber genau das spiegelt die Gesellschaft wieder und das, was in ihr grasiert. Nämlich nichts weiter als stumpfer Sexismus und offene Homophobie. Egal wo mensch hinsieht erschließt sich immer das gleiche, schwarz-weiße Bild. Beim Fussball, einem populären Sport, der nachwievor immer im Fokus steht, fällt das alles lediglich extremer auf. Fakt ist eins, diese Tendenzen lassen sich überall sehen, sei es in der Freizeit, der Arbeitswelt oder dem Sport.

     

    Frauen werden als schwächlich verlacht, Männer als kräftig, maskulin angesehen. Das lässt natürlich nur einen Schluss: "Männer sind für Führungspositionen prädestiniert. Schwule sind nichts weiter, als Frauen im Männerkörper und Lesben sind halt gut anzusehen." Eine Ansicht, die in dieser patriarchaischen Gesellschaft schlichtweg normal ist und kaum von den Menschen hier zu Lande als Problem wahrgenommen wird, erst recht nicht von den Männern, die ihre Herrschaftsposition gefährdet sehen.

     

    Ein Problem also, dass nichts oder nur geringfügig etwas mit Fussball zut tun hat. Die Wurzeln des Problems müssen anderswo gesucht werden. Angefangen bei der Erziehung der Kinder, bis hin zur Bildung der Menschen. Es sollte kein Eklat mehr sein, im TV zu zeigen, wie sich zwei Männer küssen. Frauen dürfen nichtmehr nur als Sexobjekte betrachtet werden. Die Gesellschaft muss sich öffnen und von ihren angestammten und auch christlichen Werten Abstand gewinnen und endlich einmal die Augen für andere(s) öffnen. Nur dann werden sich derartige Tendenzen abbauen und bessern.

     

    Allerdings sehe ich dafür noch immer schwarz, denn diese bildungsfremde Gesellschaft wird sich so schnell kaum ändern wollen.

  • RW
    Richard Wolf

    Das im 21. Jahrhundert überhaupt noch solche Debatten geführt werden, ist übel. Fußball ist ein Spiel. Ob die Spieler/ Trainer homosexuell oder die Spielerinnen/ Trainerinnen lesbisch sind, ist vollkommen unwichtig. Es ist nur unsere übermäßige Geilheit nach dem Privaten, die daraus ein Problem macht. Mich persönlich interessiert es übrigens überhaupt nicht, welche sexuelle Präferenz all diese Leute haben. Und es wäre mir sehr lieb, man würde mich - auch von Presseseite - mit derlei in Ruhe lassen.

     

    Richard Wolf

    http://vizekonsul.blogspot.com/

  • R
    Rheingeist

    Blödes Affentheater. Im alten Griechenland hatten fast alle Krieger/Kämpfer homosexuelle Lebensabschnitte ohne für weibisch gehalten zu werden.