: Hommage ans sündige Vergnügen
Spiel mit dem Kontext und mit dem Blick des Betrachters: Peephole-Kunstausstellungen in Friedberg und in Friedrichshafen
Von Katharina J. Cichosch
Vor der pornografischen Peepshow und auch schon weit vor dem White Cube gab es zauberhafte Kleinstkunstwerke, die fliegende Schausteller ihrem Publikum durch Minigucklöcher zur Schau boten. Wenn heute der für gewöhnlich eher weiße, eher leere Ausstellungsraum durch Peepholes wieder künstlich begrenzt wird, dann ist das naturgemäß eine aufregende, bisweilen auch schauderhafte Angelegenheit: Marcel Duchamp ließ sein Publikum schon in seiner Peephole-Installation „Étant donnés“ ungestraft zu den Frauenmord-Voyeuristen werden, die in True-Crime-Zeiten endgültig alle sind; KünstlerInnen wie Nicole Eisenman und Richard Jackson griffen das Werk auf und füllten es mit eigenen Inhalten.
In der Pandemie macht das Reinlugen in verschlossene (Kunst-) Räume sowieso klammheimliche Freude: Der Kunstverein Friedberg beispielsweise zeigt jetzt mit „peeking Julian Schnabel“ Einblicke in die Arbeiten des Malers, dessen Ausstellungseröffnung bis heute immer wieder verschoben werden musste. Ganz simpel, aber effektvoll: Gemeinsam mit dem Haustechniker erarbeitete man ein Farbkonzept, nach dem die von außen einsehbaren, bereits gehängten Bilder ab Einbruch der Dunkelheit bis 23 Uhr farbig illuminiert und so im Stadtraum präsenter werden.
Vielleicht ein Hintern
Die wörtlichste Hommage ans sündige Vergnügen dürfte aktuell „Le Peep Show“ von Mehmet und Kazim Akal im Kunstverein Friedrichshafen bereithalten: Hier hat das Münchener Duo einen roten Teppich auslegen lassen und die Ausstellungswände vom Boden bis zur Decke im sündigen Rot auf Weiß bemalt.
Motivisch gibt es aber vorwiegend Jugendfreies zu sehen – allenfalls mal ein Hintern oder ein Paar Füße lugt heraus aus dieser konsequent frucht- und sahnebonbonfarbenen Kunstlandschaft, in der die grobschlächtige Cartoon-Ästhetik eines Philipp Guston verschmilzt mit der Selbstinszenierung der Künstler als rot-weiß gekleidete Kissing Cousins, sozusagen ihre Corporate Identity, die sich ästhetisch irgendwo zwischen der Rockband White Stripes und dem Pseudo-BRD-Gastarbeiter-Komikerduo der 90er Jahre, Erkan & Stefan, verorten ließen.
Und obwohl sich das Guckloch hier auf eine gesamte Schaufensterfläche erstreckt, lebt auch diese Präsentation davon, dass ihre Ein- nie zu Röntgenblicken werden. Was hinter den abgeklebten Fenstern, den aufgestellten Wänden sich abspielt, bleibt im Verborgenen.
Le Peep Show, bis 7. 2., Kunstverein Friedrichshafen. Peeking Julian Schnabel, bis 14. 2., Kunstverein Friedberg
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