Holocaust-Verharmlosung in Berlin: Kein Pardon mehr

Die Berliner Polizei geht künftig gegen gelbe Sterne auf Demos vor. Bundesweit taten sich Ermittler und Justiz mit der Strafverfolgung bisher schwer.

Berliner Polizisten am 26. Januar bei einer Demonstration gegen die geplante Corona-Impfpflicht

Berliner Polizisten am 26. Januar bei einer Demonstration gegen die geplante Corona-Impfpflicht

BERLIN taz | Klare Kante zeigen – ab sofort ist das die Linie der Berliner Ermittlungsbehörden, wenn bei Demonstrationen ein verfremdeter „Judenstern“ getragen wird. Immer häufiger sind diese gelben Sterne mit Aufschriften wie „Ungeimpft“ bei Versammlungen gegen Coronamaßnahmen zu sehen. Die beabsichtige Message: Impfgegner würden genauso verfolgt wie Juden während der Nazizeit. Doch obwohl die Relativierung des Holocausts volksverhetzend und somit strafbar sein kann, taten sich Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz bundesweit mit der Verfolgung des adaptierten Sterns bisher schwer.

Die Berliner Polizeiführung hat ihre Einsatzkräfte nun angewiesen, immer, wenn ein adaptierter „Judenstern“ bei Versammlungen auftaucht, Anzeige zu erstatten. Es sei „grundsätzlich“ von einer Störung des öffentlichen Friedens auszugehen.

Oberstaatsanwältin Claudia Vanoni, Antisemitismusbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, bekräftigt diese Einschätzung. Dabei gab es in der Vergangenheit Amtsgerichte in Deutschland, die die Auffassung vertraten, dass der „Judenstern“ nicht zwingend als Symbol für den Völkermord an den Juden anzusehen sei, sondern auch als Symbol für deren Ausgrenzung und Entrechtung verstanden werden könne, und deshalb eine strafbare Verharmlosung des Holocausts verneint haben.

So hat etwa auch ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken vom Frühjahr 2020 die Strafverfolgung in dieser Frage nicht begünstigt. In Saarbrücken wurde dabei eine angeklagte AfD-Kommunalpolitikerin freigesprochen, die bei Facebook Fotos von „Judensternen“ mit Inschriften wie „Nicht geimpft“, „AFD Wähler“ oder „SUV Fahrer“ gepostet hatte. Die Veröffentlichung der Bilder, so das OLG, sei keine Volksverhetzung, weil die Äußerungen nicht geeignet seien, den öffentlichen Frieden zu stören.

Berliner Pilotverfahren erfolgreich

Obwohl diese bisherige Rechtsprechung keine Ermutigung war, hat die Berliner Staatsanwaltschaft laut Vanoni ein eigenes Pilotverfahren durchgeführt. Es war gegen einen 56-jährigen Berliner gerichtet, der bei Facebook unter der Überschrift „Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen“ einen gelben Stern mit der Aufschrift „Ungeimpft“ verbreitet hatte. Der Mann wurde vom Amtsgericht Tiergarten zu einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt. Das Urteil ist seit Oktober 2021 rechtskräftig.

Bestätigt fühlen sich die Berliner auch durch das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG). Das hatte die Revision eines AfD-Kommunalpolitikers verworfen, der vom Landgericht Augsburg wegen Volksverhetzung verurteilt worden war. Der „Judenstern“ stehe sinnbildlich für den gesamten Holocaust, befand das BayObLG. Ein derartiges, auf Breitenwirkung angelegtes Verharmlosen von Völkermordhandlungen gefährde den öffentlichen Frieden. Seit September ist das Urteil rechtskräftig.

Dadurch bestärkt, treibe die Staatsanwaltschaft Berlin nun weitere vergleichbare Verfahren voran, sagt Vanoni. Wer solche oder andere den Holocaust verharmlosende Symbole öffentlich macht, müsse damit rechnen, „mit allem Nachdruck“ verfolgt zu werden.

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