■ Holocaust-Denkmal: Colloquien waren besser als ihr Ruf: Erfreuliche Nebenwirkungen
In den drei Colloquien über die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas schenkten sich die Teilnehmer nichts. Die Auseinandersetzung zwischen den Sachverständigen und den Auslobern des Wettbewerbs – Bund, Land und Förderkreis –, aber auch untereinander, erinnerte zeitweilig an Burschenschaftler, die sich heiß machen für den nächsten Paukboden. Unerträglich wurde es, wenn die Kontrahenten sich aus dem Wörterbuch des Unmenschen bedienten. Da war von „Vernichtungszügen“ der Politiker gegen die Kunst die Rede, vom „gesunden Volksempfinden“, von der „Straße“, die schon mobilisiert ist, von „Lösungen“, die jetzt für die Roma und Sinti gefunden werden müssen. In den Kaffeepausen ging es auch mal um die „Endlösung“, die es für die Denkmaldiskussion nicht geben darf.
Schwamm drüber. Es war nicht alles schlecht. Über weite Strecken waren die Colloquien mit ihrem Minimalkonsens, die Vergangenheit nicht mit einem Denkmal zuzudeckeln, sogar gut. Und wenn die Berliner Kulturverwaltung ernst nehmen sollte, was die Mehrheit der Sachverständigen zu Protokoll gab, nämlich daß ein neuer Standort gefunden, und wenn nicht ein völlig neuer, dann doch zumindest ein auf der Grundlage der ersten 17 Entwürfe erweiterter Wettbewerb notwendig ist, dann waren die Colloquien sogar sehr gut.
Aber das erfreulichste Ergebnis des Denkmalstreits sind dessen Nebenwirkungen. Denn die Debatten über das ob, wie und wo eines Mahnmals fanden nicht nur im akademischen Raum und in den Medien, sondern auch in den Schulen, in Vereinen und am Küchentisch statt. Es gab in den letzten Monaten keine öffentliche Diskussion über Gedenkstätten oder auch das NS-System in Berlin, ohne daß ein Kaufmann, RentnerIn oder StudentIn auftraten und eigene Vorschläge präsentierten. In Berlin läuft derzeit eine Ausstellung von Entwürfen, die SchülerInnen eines katholischen Gymnasiums erarbeiteten. Viele deutsche Zeitungen, aber vor allem die Kulturverwaltung erhielten in den letzten Monaten Post mit konzeptionellen Ideen. Die Autodidakten kamen sogar in die Colloquien, um die Sachverständigen mit ihren Ideen auf Trab zu bringen. Zwar nervten sie oft mit ihrer Impertinenz, aber im Prinzip kann sich diese Gesellschaft doch nichts Besseres als das Einmischen wünschen. So gesehen haben sich die drei Colloquien also mehr als nur gelohnt. Anita Kugler
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen