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Holland wirft Brasilianer aus der WMKalt erwischt

In einem leidenschaftlichen Spiel verlieren die Fußballkünstler aus Brasilien in der zweiten Hälfte die Nerven und Felipe Melo. Die Holländer drehen einen Rückstand und gewinnen mit 2:1.

Am Boden? Giovanni van Bronckhorst (li) kämpft gegen Brasiliens Kaka. Bild: dpa

BERLIN taz | Haltet die Uhren an, der große Favorit ist draußen. In einer in jedem Sinne merkwürdigen Partie, deren Verlauf in der zweiten Verlauf völlig auf den Kopf gestellt wurde, verlor Rekordweltmeister Brasilien gegen die Niederlande mit 1:2. Nichts, aber auch gar nichts hatte bis zu 53. Minute darauf hingewiesen, als die Brasilianer die bis dahin völlig kontrollierte Partie aus der Hand gaben.

Es war eher eine Verlegenheitsflanke von Hollands Mittelfeld-Strategen Wesley Sneider, die die Brasilianer aus dem Konzept brachte und den Anfang des Endes ihrer Titelambitionen markierte. Felipe Melo sprang seinen eigenen Torwart Julio Cesar an und der Ball landete von Melos Kopf im brasilianischen Tor. Auf einmal waren die Niederländer zurück in der Partie.

In der 68. Minute erwischten sie die im bisherigen Turnier so unbezwingbar scheinende Abwehr um Lucio und Juan erneut kalt, nach einer Ecke und einer Kopfballverlängerung von Dirk Kuijt war Wesley Sneijder zur Stelle. Als dann fünf Minuten später Felipe Melo den am Boden liegenden Robben übel in den Oberschenkel trat und zu Recht vom Platz geschickt wurde, war das das brasilianische Drama perfekt.

Statistik

Niederlande - Brasilien 2:1 (0:1)

Niederlande: Stekelenburg - van der Wiel, Heitinga, Ooijer, van Bronckhorst - van Bommel, de Jong - Robben, Sneijder, Kuyt - van Persie (85. Huntelaar)

Brasilien: Julio César - Maicon, Lúcio, Juan, Michel Bastos (62. Gilberto) - Dani Alves, Gilberto Silva, Felipe Melo - Kaká - Luís Fabiano (77. Nilmar), Robinho

Schiedsrichter: Nishimura (Japan)

Zuschauer: 40.186

Tore: 0:1 Robinho (10.), 1:1 Felipe Melo (53./Eigentor), 2:1 Sneijder (68.)

Gelbe Karten: Heitinga, Ooijer, de Jong, van der Wiel / Michel Bastos

Rote Karten: - / Felipe Melo (73./Tätlichkeit)

Johan Cruyff, Hollands Legende und Lehrmeister des schönen Spiels, hatte vorher gesagt, er würde kein Geld ausgeben, um dieses Spiel zu sehen. Zu organisiert und zu wenig fantasievoll würden diese Mannschaften spielen. Doch wird wohl kein Zuschauer sein Geld zurückverlangen wollen. Das kämpferisch starke Spiel und die menschliche Tragödie, die sich hier abspielte, entschädigte für vieles.

In der ersten Halbzeit war es eine Demonstration der Stärke der Seleção, die Niederlande wirkte eingeschüchtert von den brasilianischen Kraftwerken in Abwehr und defensivem Mittelfeld. Nichts fiel ihnen ein, wie sie die Abwehrriegel durchbrechen hätten können. Die Brasilianer wirkten nach der frühen Führung durch Robinho (18. Minute nach einem Traumpass von Felipe Melo, der die gesamte holländische Abwehr überrumpelte) so sicher auf Halbfinal-Kurs wie ein Flussdampfer auf der Havel.

Hinten ließen die Verteidiger nichts anbrennen und vorne erspielten sie sich vor allem durch den gut aufgelegten Spielmacher Kaká einige Chancen. Doch der niederländische Torwart Martin Stekelenburg stemmte sich dagegen, parierte gegen Kakás gefühlvollem Schlenzer (31.) und Maicons hartem Schuss (45.) prächtig.

In der zweiten Halbzeit schien sich die spielerische Dominanz der Brasilianer fortzusetzen, bis zur schicksalhaften 53. Minute. Den Holländern muss man aber das Kompliment machen, nach dem Ausgleich sofort den Schalter umgelegt zu haben und das beginnende Nervenflattern der Brasilianer auszunutzen.

Die Trauer in Brasilien wird unermesslich sein und Trainer Carlos Dunga, der die Kritiker an seiner eher kontrolliert als bezaubernd auftretenden Mannschaft nur durch Erfolge besänftigen konnte, kaum zu halten.

Die Niederlande hat jetzt den mit Abstand schwersten Gegener, der ihnen bei dieser WM entgegen stand, aus dem Weg geräumt. Wenn die Spieler das begriffen haben, wofür sie wohl mindestens eine Nacht brauchen werden, sind sie ernsthafte Anwärter auf den Titel. Es wäre die erste Weltmeisterschaft für das fußballverrückte Land, und die könnte wohl auch Johann Cruyff wieder mit der Elftal versöhnen.

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