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Hohe Gas- und ÖlpreiseZu teuer für die Umwelt

Der Stammtisch ärgert sich - aber auch für ökologiebewusste Wähler sind hohe Gas- und Ölpreise kein Grund zum Jubeln. Im Gegenteil, führen sie doch zu einer Vernachlässigung des Klimaschutzes.

Hätten wir in deutschen Städten flächendeckend sinnvolle Heizsysteme, die Gaspreise wären eine Randmeldung. Bild: dpa

Der Spritpreis geht auf die 2 Euro den Liter zu, und die Gaspreise ziehen wie immer nach: Mit noch einmal plus 40 Prozent beim Gas rechnet Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) für den Herbst. Da schimpft der Stammtisch, da freut sich der um die Erde besorgte Umweltschützer? Der Stammtisch darf begründet schimpfen, immerhin haben wir laut der Investmentbank Morgan Stanley mit die höchsten Literpreise der Welt.

Aber der Öko sollte sich etwas Sorgen wegen seiner Taktik machen. Denn ein Preisschock bei Öl und Gas oder auch allgemein bei Rohstoffen muss keineswegs gut für Umwelt und Klima sein. Denn obwohl der Treibhauseffekt inzwischen populärer ist als Tokio Hotel oder die Rolling Stones, kann auch der gewiefteste jacketttragende Umweltlobbyist seiner Durchsetzungsfähigkeit nicht trauen.

Auf den ersten Blick läuft alles prächtig für das Ökodenken. Laut den Marktforschern ist die Schmerzschwelle bei den Energiepreisen erreicht. Ab 4 Dollar die Gallone (knapp 4 Liter) in den USA drehen sogar die Käufer in den Autohäusern den Spritschluckern den Rücken zu. Dementsprechend stürzen die berüchtigten SUV-Protzgeländewagen gerade in den Verkaufsstatistiken ab.

Wirtschaft und Privatleute mindern ihren Konsum. Auch Kleinwagenfahrer wechseln aufs Rad oder die Bahn und lüften mit abgedrehten Heizkörpern. Deshalb schwächt sich seit etwa drei Jahren der Zuwachs des Ölverbrauchs in der Welt ab (Das ist jetzt ein wenig kompliziert: Abschwächung des Wachstums bedeutet: es wird trotzdem immer mehr verbraucht, weil die Wirtschaft nach wie vor stark wächst - aber eben nicht mehr so viel obendrauf mehr …).

Das Problem ist allerdings, dass sich der Verbrauch nicht so einfach ändern lässt. Es ist ein alter Ökospruch, aber er bleibt in beide Richtungen wahr: Wir sind abhängig von Öl und Gas wie ein Süchtiger. Selbst wenn morgen alle Deutschen dem Solarenergie-Förderverein beitreten würden, hätten sie keine andere Heizung und würden sich die Kohlekraftwerke weltweit nicht einfach in Sonnenstromflächen verwandeln. Der Energiesektor ist ein Geschäft, das in Jahrzehnten denkt und handelt.

Aber der Wandel muss doch endlich eingeleitet werden, oder? Sonst wird das immer schlimmer und die Russen und die Ölscheichs ziehen immer mehr Geld ab und geben es für Luxus und Waffen aus und bei uns fehlt es für die Energiewende? Ja, ja. Die Zeit drängt. Hat man bei den ersten Ölschocks in den 70er-Jahren auch gesagt und passiert ist bis heute nicht viel. So gibt es in der EU (bis auf die Niederlande) immer noch keine Steuer auf Flugbenzin. Weil im Energiesektor eben die Politik die entscheidende Rolle spielt. Der Wähler muss wollen, dann dürfen seine Politiker reagieren. Man nennt es Demokratie.

Wenn nun die Wähler durch einen Preisschock - ob nun derzeit durch Energie in den Industrieländern oder Energie plus Nahrungsmittel im Rest der Welt - plötzlich mit ihrem Geld nicht mehr auskommen, suchen sie nach kurzfristigen Lösungen für ihre Misere. Da können Wirtschafts- oder Klimaforscher bei den Politikern noch so ein offenes Ohr finden für langfristige Strategien, es muss auch eine aktuelle Linderung her. Deshalb wurde in den vergangenen Wochen gefordert, die Hilfen für Berufspendler zu erhöhen oder die Steuern auf Benzin zu senken. Oder schnell neue Atomkraftwerke zu bauen. Diese Vorschläge werden meist zu Recht als populistischer Blödsinn abgetan. Aber sie schaffen ein Klima des "Es reicht!". Und gegen eine solche Stimmung ist schwer zu argumentieren. Da werden dann selbst die vielleicht hundert Euro, die das vergangene Woche beschlossene Klimapaket der Bundesregierung einen deutschen Haushalt pro Jahr kostet, zum hartumkämpften Politikum. An eigentlich nötige Gesetzespakete wie zum Beispiel eine Erhöhung der Energiesteuern für einen großen Forschungsfonds ist da überhaupt nicht zu denken.

Hätten wir in deutschen Städten flächendeckend sinnvolle Heizsysteme, die Gaspreise wären eine Randmeldung. Aber wir haben es verpennt. Die reichen Länder haben 30 Jahre verschwendet.

Jetzt sind wir nicht mehr im politischen Arbeitsmodus der strategischen Planung, sondern im aktuellen Krisenmanagment: Wachstum! Arbeitsplatzverlust! Verarmende Mittelschicht! Bei Krisen werden Politiker angreifbar aus schwer vorhersehbaren Richtungen, da gehen sie auf Nummer sicher und brauchen erst einmal wieder die Hoheit über die Stammtische. Das bedeutet meist, dass wirksame Ökogesetze hinter die nächste Wahl verschoben werden.

Die Preiswellen bei Öl und Gas könnten also den verrückten Effekt haben, dass diesbezügliche Umweltgesetze abgeschwächt oder verschoben werden. Die Spritpreise mögen in ein paar Monaten wieder von derzeit 130 auf 100 Dollar das Fass absinken. Aber die Bundesregierung ist dann endgültig im Wahlkampf und wird nichts mehr beschließen, was den Wähler ärgern könnte. Wiedervorlage für die Ökoanliegen dann im Jahr 2010, bitte.

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3 Kommentare

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  • EM
    Eric Manneschmidt

    Herr Häußner kommt er Lösung schon sehr nahe:

     

    1. Steuern/Abgaben auf CO2-Ausstoss; sinnvollerweise vorne zu erheben, also beim Kauf fossiler oder nuklearer (inklusive nicht nachhaltig erzeugter biogener) Energieträger, den konkreten CO2-Ausstoß zu messen wäre vielleicht gerechter aber unpraktikabel.

     

    2. Ausschüttung an alle Bürger oder Einwohner, allerdings nicht erst am Jahresende, was viel zu spät wäre, um vom "Arbeitsmodus des aktuellen Krisenmanagements zu dem des strategischen Planens" (zurück) zu gelangen. Nein, Ausschüttung monatlich in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens, für das selbstverständlich auch andere Steuerquellen herangezogen werden können; immerhin ist für das sehr treffend beschriebene Problem mit dem Arbeitsmodus auch die Höhe (existenzsichernd!) ausschlaggebend.

     

    3. Zusätzlich natürlich Änderung der Rahmenbedingungen in der Industrie-, Verkehrs, Landwirtschaftspolitik, aber wohl auch in Bildung und Forschung und in der Welthandelspolitik.

     

    Beim Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. heisst das dann "Energiegeld" und ist allerdings nicht existenzsichernd gedacht.

    Während der Arbeitgeber von Herrn Häußner, Prof. Götz Werner, sein bedingungsloses Grundeinkommen leider ausschliesslich über Mehrwertsteuern finanzieren - und überhaupt jede andere Steuerart abschaffen will.

     

    Eric Manneschmidt

    Hofheim am Taunus

    www.politik-werkstatt.de

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Ökoabgaben mit Rückvergütung oder von der Sozialen Marktwirtschaft zur ökosozialen

     

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    Das von Herrn Metzger zutreffend beschriebene Problem lässt sich auf zwei Handlungsebenen nicht lösen.

     

    Jede Verknappung der Nutzung von Umweltgütern führt zu steigenden Preisen und damit zu sozialen Ungleichgewichten. Kein Klima- und Umweltschutz ohne Ressourcengerechtigkeit.

     

    Wir brauchen zur Problemlösung ein Drei-Ebenen-Modell!

     

    1. Ebene: Begrenzung der Ressourcennutzung durch die (supra)staatlich-legislative Rahmenbedingungen. Stichwort: Suffizienz

     

    2.Ebene: Durch Entgelte für die Ressourcennutzung, z.B. eine CO2-Abgabe, sind Produzenten und Konsumenten gezwungen Ressourcen schonend zu produzieren und zu haushalten. Stichwort: Effizienz

     

    3.Ebene: Weil es sich bei Umweltgütern um menschenrechtliche Gegebenheiten handelt, jeder Mensch hat ein gleiches Teilhaberecht an der (vom lieben Gott oder wem auch immer geschaffenen) Natur.

     

    Dieses Grundrecht auf Teilhabe lässt sich nicht in Naturalien realisieren, sondern braucht den Umweg über die Bewertung in Geldeinheiten (sprich: Monetarisierung). Alle durch eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe (und auch auf Atomkraft) eingenommenen Entgelte werden pro Kopf an die (Welt)BürgerInnen ausgezahlt. Damit ist das gleiche Teilhaberecht an den Schätzen der Natur gewährleistet. Stichwort: Äquivalenz

     

    Wir könnten in Deutschland damit - prototypisch - anfangen. So könnte die völlig veraltete und verwaltungsaufwändige Kfz-Steuer komplett abgeschafft werden und im Gegenzug eine CO2-Abgabe auf Treibstoffe - pro Liter z.B. 15 - 20 Eurocent - erhoben werden. Damit hätten wir nicht nur eine sinnvolle Steuersenkung, sondern Fiskalpolitik und Umweltpolitik könnten in Einklang gebracht werden. Am Jahresende werden die Einnahmen aus der CO2-Abgabe an die BürgerInnen pro Kopf - als Ökobonus - rückvergütet. Damit kann eine Ressourcen schonende Lebensweise mitfinanziert werden.

     

    CO2-Abgabe und Ökobonus könnten schrittweise auf Flugbenzin, Heizöl, Ergas, Kohle und Atomkraft ausgeweitet werden.

     

    Dadurch könnte sich ein jeder den durchschnittlichen Ressourcenverbrauch leisten, im Rahmen der durch die 1. Ebene begrenzten Möglichkeiten - bundesweit wie auch (zumindest gedanklich) sogar weltweit.

     

    Alle beteiligten Wirtschaftsakteure, Produzenten, Händler, Banken und Konsumenten hätten daran ein Interesse sich innerhalb dieses ordnungspolitischen Rahmens markt- und umweltkonform zu verhalten.Die Soziale Markwirtschaft würde so, sechzig Jahre nach ihrer Gründung, zur Ökosozialen Marktwirtschaft.

     

    Ludwig Paul Häußner

    Interfakultatives Institut für Entrepreneurship

    Universität Karlsruhe (TH)

    www.iep.uni-karlsruhe.de

  • MU
    Martin Uhlir

    Reduktion des Ölkonsums bringt viele Vorteile

     

    Egal wie lange es noch dauert bis das Ölfördermaximum erreicht wird, eines steht schon jetzt fest: die Zeiten des billigen Öls sind vorbei.

     

    Wenn alle Bürger mit Unterstützung der Politik möglichst schnell Energiesparmaßnahmen setzen und den Restenergiebedarf mit Erneuerbaren Energiequellen decken bringt dies viele Vorteile.

     

    Durch dämmen unserer Häuser kann viel Energie gespart werden. Der restliche Energiebedarf kann mit Pelletheizungen, Fernwärme, Sonnenenergie etc. gedeckt werden.

     

    Unsere Mobilität können wir durch den Umstieg auf effizientere Fahrzeuge, wie Elektroautos und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs erhalten. Elektroautos haben darüber hinaus noch den Vorteil, dass sie weniger Lärm verursachen und beim Betrieb keine Schadstoffe freisetzen. Unsere Städte werden wieder ruhiger und die Luft besser.

     

    Das ist mit gemeinsamer Anstrengung der Bürger und der Politik machbar und wird nach der Umstellung deutlich billiger sein als der heutige Verkehr.

     

    Übrigens Atomkraftweke können nicht schnell gebaut weren und sind teuer. Rechnet man dann noch die Kosten für den Schutz vor Terroranschlägen auf Atomkraftwerke, dann steigen die Kosten enorm!

     

    Anstelle Milliarde an verbrecherische Regimes im Iran, Saudi Arabien, Russland zu überweisen, können diese Milliarden in heimische Technologien investiert werden.

    Tausende Jobs können geschaffen werden und nebenbei können wir eine saubere Umwelt genießen.

     

    Beginnen wir schon jetzt mit dem Umstieg!