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Hoeneß als DevisenzockerDer Kick, das pure Adrenalin

Es muss ein Leben am Abgrund gewesen sein: Uli Hoeneß jonglierte mit Millionen Euro, jeden Tag, zum Teil mit Hunderten Trades.

Der Zocker nimmt gleich Platz. Bild: reuters

BERLIN taz | Angefangen hat er schon vor Jahrzehnten, mit Beträgen nicht höher als 50.000 Dollar. Beim Platzen der Internetblase Anfang der nuller Jahre fuhr Uli Hoeness erstmals „schwere Verluste ein, da war ich richtig klamm“.

Und trotzdem zockte er weiter. Mit etwa 20 Millionen Mark, die ihm 2001 der damalige Adidas-Chef Robert Dreyfus geliehen hatte. Das muss gut gelaufen sein, so gut, dass Dreyfus zu seinem Kumpel sagte: „Mach dir keine Gedanken über die Kohle, ich habe genug davon.“

Tag und Nacht checkte Hoeneß seinen Börsenpager, der Aktienkurse weltweit in Echtzeit verfügbar machte. „Das war der Kick, das pure Adrenalin“, sagte er später der Zeit. Auf das nicht mal zigarettenschachtelgroße Gerät wurden vor der Erfindung von Smartphones die Kurse von Aktien, Rohstoffen oder Devisen wie eine SMS übertragen.

Zwischen 2001 und 2005 schraubte Hoeneß die Summe allein auf dem Geheimkonto der noblen Schweizer Vontobel-Bank auf ein Vermögen von etwa 150 Millionen Euro hoch. Dann verlor er kontinuierlich, besonders stark im Rahmen der Finanzkrise 2008. Etwa neun Zehntel des Gewinns lösten sich in Luft auf. Zu den herben Verlusten kommt nun die Strafe für die nicht versteuerten Gewinne – und der Imageverlust.

Ausgebufftes Handelssystem

Hoeneß muss ein Leben am Abgrund geführt haben. Angeblich 50.000 „Trades“, Handelsorders, wurden in seinem Auftrag getätigt, manchmal über 100 am Tag – nebenbei managte er noch einen Fußballclub und eine Würstchenfirma. Die allermeisten Handel liefen wohl automatisiert ab. Per Telefon griff Hoeneß nur ein, wenn die Kurse zu stark von einer vorher festgelegten Strategie abwichen. Hoeneß und ein Devisenhändler der Vontobel-Bank hatten vorab Investitionspläne festgelegt.

Es muss ein ausgebufftes Handelssystem gewesen sein, das auch mal serienweise Verluste ausgleichen konnte. Wahrscheinlich spekulierte Hoeneß vor allem mit Devisen. Devisenhandel fand Hoeneß ethisch unbedenklich, gleichzeitig wetterte er öffentlich gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln. Da sich die Kurse von Euro, Dollar oder Yen meist nur wenig bewegen – und also nur geringe Gewinne zu erzielen sind –, muss Hoeneß dabei enorme Summen eingesetzt haben. Einmal soll er 150 Millionen Euro darauf gewettet haben, dass der Dollar unter einen bestimmten Kurs fällt. Seine Familie hielt Hoeneß für spielsüchtig, er selbst sieht sich als geheilt an.

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14 Kommentare

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  • G
    Gast

    @ Rolf Kuntz: mit Ihrer Grundsatzfrage haben Sie ja vollkommen Recht, aber auch Sie sind dem Irrbild aufgesessen, dass Herr Hoeness das alles selbst veranlasst hat. Nein, es haben eben jene Leute mit Hauptjob in seinem Auftrag na sagen wir mal "gearbeitet" ;-) Der Typ ist kein Finanzakrobat.

  • H
    Hinz

    Der Kommentar von @Rolf Kunz geht in die richtige Richtung, die aber von den Medien konsequent nicht gestellt wird, das System Casino zu hinterfragen. Nein, man bleibt lieber auf der personlichen Ebene, dem Subjekt stecken, in dem man von Gier redet. Wie kann es aber sein, dass man im Casino so viel leistungsloses Vermögen "verdienen" kann. Allein die Steuerschuld von über 20 Millionen EUR in Relation zu dem gesetzt, was ein gewöhnlicher Arbeiter(In) im Durchschnitt sein(ihr) Leben lang verdienen kann, ca. 1 1/2 Millionen, -vom Niedriglohnsektor und Aufstocker ganz abgesehen-, sollte die Augen öffen, wie pervers das System ist. Wie wird soviel Geld im Casion erwirtschaftet, wo ist der Gegenwert, die Leistung?! Die menschliche Gier (religöse Todsünde gegeißelt) ist da nur mittelbar Folge des Casinos. Der Fall Honeß wirft ein Schlaglicht auf völlig ein mittlerweile völlige krudes System des leistungslosen Turbo- und Finanzkapitalismus. Von und in dem einige wenige gut leben können, die Mehrheit nicht: die muss schuften.

  • D
    Denhalsnichtvoll

    @Rolf Kuntz

    "da ist doch jeder ein Depp oder ein Ausgebeuteter der sein Einkommen mit realer wertschaffender Arbeit bestreitet"

    Genau das ist das, was die Menschen daraus lernen, aber wenn jeder nur schmarotzen will, wer macht dann die Arbeit?

    Es ist demotivierend zu sehen, wie manche fett werden und man selbst kann mit seinem Geld als Werksvertragler kaum überleben.

  • Solch ein Fall wie Hoeneß stößt ein Fenster auf und erlaubt uns einen Blick auf Dinge die uns sonst verwehrt blieben. Man überlege mal: Da betätigt sich ein viel beschäftigter Spitzenmanager neben seinem Zweitjob als Wurstfabrikant auch noch als Finanzakrobat und bewegt dreistellige Millionensummen mit seinem Smartphonvorläufer Pager. Allein dieser auf 70.000 Seiten dokumentierte Nebenjob ist vom Arbeitsaufwand nur mit Doping zu erklären.

    Das klingt jetzt alles etwas zynisch, aber führt uns so zum nächsten Gedankenschritt, respektive in die Bankentürme von Frankfurt, London, New York und Co..

    Dort arbeitet ein Heer von Leuten im Hauptjob an ebensolchen Dingen, ohne Pager aber mit allen ausgefeilten Vernetzungen die die moderne Kommunikation zur Verfügung stellt und schieben täglich Billionen über den Hochfrequenzhandel die Hoeneß 70.000 Seiten in Sekunden zur Makulatur werden lassen.

    Ganz im Sinne der marktfundamentalistischen Lehre das die "unsichtbaren Hand des Marktes" für alle leistungsloses Manna nach unten tröpfeln läßt das nur eingesammelt werden muß. Nach dieser Lehre, ich würde lieber sagen "modernen Religion des Geldes", ist doch jeder ein Depp oder ein Ausgebeuteter der sein Auskommen mit realer werteschaffender Arbeit bestreitet.

    Genau so wie unsere Altvorderen des Mittelalters religiös besoffen waren, um durch eine exorbitante Hingabe eine gesellschaftliche Erhöhung zu erzielen, genau so irrational gedopt reagieren wir heute auf die "Religion des Geldes" und wir werden Hoeneß zum Märtyrer gegen die Finanzplagen hochstilisieren und irgendwann als Heiligen anrufen.

  • MB
    milch bübchen

    in der größenordnung hast du einen persönlich zugeordneten händler,der ausschließlich für dich den kunden tätig ist.

     

    die ziele und die linie wird festgelegt und der händler arbeitet in deinem namen und kauft und verkauft , bzw, das von ihm verwendete programm.

     

    diese märchen vom hunderte deals am tag aus lösenden hoeneß mag dem laien zu verkaufen sein aber doch nicht profis

     

    am besten man kuckt sich mal die bonieinkünfte seines handlers an und deren begründung , dann wird auch ausenstehenden klar , daß handel auf diesem niveau anderst stattfindet als sich das unsre fahnder und richter vorstellen

  • G
    gast

    Mit der Argumentation dieses Artikels wäre sogar ein Freispruch drin, krankheitshalber und so. Obendrauf gibt's dann noch 'ne Therapie, die aus Steuergeldern bezahlt wird.

  • T
    TMI

    "Zwischen 2001 und 2005 schraubte Hoeneß die Summe allein auf dem Geheimkonto der noblen Schweizer Vontobel-Bank auf ein Vermögen von etwa 150 Millionen Euro hoch."

     

    Was für ein banalisierender Artikel! Der Autor, Herr Schönberg, hat beim Baumarkt eingekauft: einen Schraubendreher, mit dem man Geld 'einfach' 'hoch'-schrauben kann – herzlichen Glückwunsch! Oder ob Mann dazu eventuell auch goldene Schwarzgeld-Schrauben benötigt? Egal, oder nicht? Und es handelt sich bei Hoeneß ja auch nicht um einen "besonders ausgebufften"(‽) Straftäter, der "schon vor Jahrzehnten" sein Spielfeld nicht mehr fand, weil vermutlich der Tarnkappenhelm ihn seiner Restsinne beraubte:

    Wikipedia-Exzerpt:

    »»»

    Von der Bundeswehr wurde er freigestellt, weil ihm das Helmtragen Kopf- und Knieschmerzen verursachte.

    «««

    Alles klar. Mir kommen die Tränen.

    Und bitte nie vergessen, liebe Leut', wie 'wir' in der vergangenen Nacht bei Maybrit Illner fast warnend lernen durften: Der Fußball-Verein(!) Bay.M. hat mehr Mitglieder als Die Grünen!!

    Anpfiff! Hoch die Mass!

    Die Revision wird das Urteil kassieren, es wird neu (in München) verhandelt werden müssen, bis sich herausstellt, dass fiese andere dem armen Uli jahrzehntelang Adrenalin ins Bier gekippt hatten – Freispruch. Ruh is!

  • Herr Hoeneß ist ein Beispiel für eine unfaßbar risikoegale total Gewinngesellschaft. Das ist nicht direkt das Problem. Das direkte Problem ist, daß alle ein passendes Beispiel sind, ob sie wollen oder nicht. Entsprechend dem Mehrheitsbedarf der Gesellschaft könnte man das stehen lassen, wäre da nicht die unheimliche Sucht vieler Zeitgenossen, den durch sie entstandenen Schaden regelrecht bei anderen liegen zu lassen.

    Als Beispiel für gelungene Rechtsprechung taugt der Fall Hoeneß nicht. Die Aufarbeitung bleibt demokratisch organisiertem Personal vorbehalten, welches sich Volksparteien zugehörig fühlt die früh mit fliegenden Fahnen den Steuerbetrügern hinterzogen, um schwarze Kassen lieber in externen Banken zu deponieren, als den Wähler zu informieren.

    Die medial dargebotene Aufarbeitung dient der Volksbelustigung um davon abzulenken, welche Krise wirklich herrscht. Es ist ein Unding, sich auf bestimmte Straftäter oder Einzeltäter einzurichten. Tatsächlich organisieren sich Kriminelle unter sich, wobei der Staat mit zu berücksichtigen ist.

    Um nennbar etwas zu bewegen, verändern und verbessern wollen, müssen wir eine neue Systematik ins Spiel bringen, welche zur erkannten Problematik eine überzeugende Aufarbeitung bietet. Das ist in einer tobsüchtig agierenden amtlich anmaßenden Umgebung mit einseitigem Vollstreckungsbedarf nicht denkbar. Hier sehen wir Nachholbedarf.

  • Prädikat : mit Samthandschuhen verurteilt , das passiert bestimmt nicht jeden .

     

    Ok , Hoeneß ist verknackt worden und das mit Samthandschuhen . Der Typ kommt jetzt so langsam aus den Hauptschlagzeilen , mal was Positives .

     

    Auch nach x Revisionen ala FJS , wird er hoffentlich nur noch als Randnotiz wahr genommen , wie ihm die dünne Suppe im Bayrischen Edel Knast für Promis schmeckt . Das kann jeder der will bestimmt in der BLÖD nachlesen .

     

    Ansonsten , und das ist viel wichtiger was macht denn eigentlich die abgetauchte GroKo so ?

     

    Das letzte was ich vernahm war 2€ mehr Kindergeld aber erst 2016 , wow .

    Und Merkel will harte Sanktionen gegen Putin durchziehen , irre das Vorhaben .... mmmh ,mit was eigentlich ? Liebesentzug ? Schmollend in der Ecke sitzen und nichts mehr sagen bzw sich bewegen ?

    ... anyway ...

     

    mfg BB

  • Naja... Herr Hoeness als `Adrenalinjunkey´ ... kein Wunder als Ex- Leistungsfussballer !

    Es erscheint als ob er, nach seiner aktiven Fussballstarkarriere- den Adrenalinkick suchte im Börsenabzocken- im Spiel mit Geld eben.

    Der richtige ersehnte `Kick´ kam wohl erst mit seinem spielerischen Steuerbetrug?

    Irgendwie erscheint das Krankheitsbild der `Ludomanie´ erfüllt: des spielens um des Adrenalinkickes wegen, und nicht um Geldreichtum anzuhäufen?

    Klar: Den Staat im Namen einer individuellen krankhaften Neigung der Sehnsucht nach Adrenalinkicks um Millionen von Steuer-Euros zu bescheissen ist n krimineller Akt!

    Aber? Ein einfacher Krimineller ist Herr Hoeness nicht!

    • A
      andrea-cora
      @vergessene Liebe:

      Ja korrekt - eher ein mehrfach krimineller ... Der hätte sich seinen kick im spiel holen können .... Aber welchen kick hat er sich dadurch geholt, dass er seine gewinne nicht dem deutschen finanzamt gemeldet hat?

  • A
    Arne

    Wäre er "geheilt", wäre er wohl kaum das Risiko eingegangen und hätte bis jetzt gewartet, um alle Zahlen deutlich auf den Tisch zu legen. Er hat auch noch gezockt, ob es ihm möglich bleibt, die Strafe unter das Maß zu bekommen, dass ihm für die tatsächliche Höhe zusteht.

     

    Bezeichnend ist, dass die ganzen Wirtschaftsbosse ihm weiterhin das Vertrauen aussprechen. Letztendlich beweist es, dass die wirtschaftliche Lage in Deutschland so miserabel ist, dass nur noch Zocken ihr den Anschein einer wirtschaftlichen Stabilität verpasst.

  • W
    würstchen

    Wen interessierts? Der Typ ist einfach asozial und sonst nichts.

  • G
    gast

    Wieso am Abgrund? Sie sagen es doch selbst, der Mann hat seine Bank bzw. deren Computer arbeiten lassen und immer mal wieder auf seiner Pager geschaut. Und wenn Sie das schon mit den Smartphones vergleichen, Millionen Kids könnten das Tempo mit Sicherheit mithalten.