■ Hoege in Weimar, Jena und Apolda: Stätten deutscher Kuschelklassik
Weil man Weimar zur Kulturhauptstadt kürte, wird dort jetzt alles mit dem Kamelhaarpinsel aufgehübscht. Was das wieder kostet?! Das mit Werken von jungen und alten Wilden äußerst geschmackvoll eingerichtete „Hotel Elefant“ des Bauunternehmers Dr. Conradi aus München wechselte jedoch schon vorab den anscheinend finanziell überforderten Nachwende-Besitzer. Es gehört jetzt zur thailändischen Kempinski-Kette.
In Weimar ist alles voll mit Goethe – bis hin zum Drehständer am Bahnhofskiosk. Auch im ersten Hotel am Platz ging der Dichter einst ein und aus. Und später ließ sich dann auch Thomas Mann nicht lumpen. Nach dem Krieg sorgte er sogar dafür, daß das Haus von der Interhotel- Kette übernommen wurde.
Wenn Adolf Hitler dort logierte, riefen die Weimaraner: „Lieber Führer, komm heraus aus dem Elefantenhaus!“ Über dem Kamin im Konferenzraum hing einst ein Hakenkreuz, jetzt ein antifaschistisches Originalgemälde von Otto Dix. „Das haben wir doch gut gelöst“, frohlockte dazu unlängst die PR-Frau von Dr. Conradi. Nun versichert man mir an der Rezeption: „Die gesamte Kunst hat der neue Besitzer, so wie sie hier steht oder hängt, mitübernommen.“
Statt der einheimischen Jeunesse d'Or, die das In-Kneipenambiente einer „Würzburger Immobilienclique“ bevorzugt, tafeln im „Elefanten“ heute vorwiegend gutausgerüstete amerikanische Touristen. Mir direkt gegenüber saß zum Beispiel eine prominente Europapolitikerin, es kann aber auch eine griechische Ministerin gewesen sein, am Ende gar eine Bestsellerautorin mit Wohnsitz in Vaduz.
Im Klassiker-Dreieck Weimar-Apolda-Jena heißen ja sogar die Opel-Händler Schlegel. Und die Jenenser Einkaufszentren „Schiller-Passage“ und „Goethe- Galerie“. Letztere wurde anstelle des ehemaligen innerstädtischen Hauptwerkes des Carl- Zeiss-Jena-Kombinats errichtet – vom Nachfolgeunternehmen Jenoptik, das bereits halb Jena umkrempelte.
Die andere Hälfte krempelte die Universität um, die fast ausschließlich Westprofessoren berief. Diese zogen wiederum – wie beispielsweise ein Anästhesist – je zwölf Assistenten aus ihrer früheren Wirkungsstätte nach sich. Den Westakademikern gehören heute die meisten Villen oben am Berg, die Ostler wohnen dagegen mehrheitlich nur noch unten im Tal.
Ganz anders in dem gegen Investoren bisher noch weitgehend apathisch gebliebenen Apolda, wo der Landrat zur Eröffnung der 2. Kreismesse vor lauter Landsleuten lustig Lebenshilfe leistet: „Produktivität zwingt zu Distribution und Konsumtion, verlangt die Kommunikation mit der Zielgruppe!“ Die dortige „Regionalinformation“ vermerkt verschmitzt: „Hier ist die Wiege für die weltweite Zucht der Dobermann-Hunderasse!“ Sie unterschlägt jedoch, daß einst die weitaus Berühmteren, Wieland und Goethe, ausgerechnet hier bei Apolda – auf „fruchtbaren Böden“ – mit ihren alternativen Landwirtschaftsprojekten scheiterten.
Goethe, der dabei auch ein finanzielles Fiasko verzeichnete, beteuerte hernach böse: „Welche Umschweife es bedürfe, um der Natur nur etwas Genießbares abzugewinnen. Erst brachte er (Wieland) den sorgsam gebauten Klee mühsam durch eine theuer zu ernährende Magd zusammen, und ließ ihn von der Kuh verzehren, um nur zuletzt etwas Weißes im Kaffee zu haben.“
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