Hochwasser in Westdeutschland: Menschen können kurz aufatmen
Riesige Wassermengen führten im Saarland, Rheinland-Pfalz und NRW zu Überschwemmungen. Am Montag ist die Lage unter Kontrolle – doch neuer Regen droht.
Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) werden im Saarland und in Rheinland-Pfalz am Montagnachmittag vor allem im Norden örtlich Schauer mit bis zu 15 Litern pro Quadratmeter in kurzer Zeit erwartet. Unwetterartige Mengen über 25 Liter pro Quadratmeter seien demnach aber nur wenig wahrscheinlich. „Interessant wird es am Dienstag“, sagte Meteorologe Markus Übel vom DWD schon am Sonntag in Offenbach. Dann entwickelten sich erneut teils kräftige Regenfälle, „die aus heutiger Sicht vor allem den Südwesten des Landes erfassen“.
Bereits am Dienstagvormittag könne es dort schauerartigen und teils länger andauernden Regen geben. Im Verlauf des Tages weite sich der Regen weiter nach Norden aus. Der Wetterdienst schrieb von einem mehrstündigen Stark- oder Dauerregen mit Hochwassergefahr an Bächen und Flüssen. Das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz erwartet ab Dienstagmittag in der Folge zunächst an den kleineren Gewässern und den Oberläufen erneut steigende Wasserstände.
Mit Blick auf die Wettervorhersagen liefen fast stündliche Berechnungen, sagte der Sprecher des Ministeriums. Das Innenministerium sei im ständigen Austausch mit den Unteren Katastrophenschutzbehörden. „Das werden wir auch unabhängig vom Wetter diese Woche noch sein.“
Stefan Rahmstorf, Klimaforscher
„Extremniederschläge nehmen durch die Erderwärmung deutlich zu“, schreibt Klimaforscher Stefan Rahmstorf mit Bezug auf die Fluten auf der Onlineplattform Bluesky. „Und sie werden es mit jedem weiteren Grad Erderwärmung auch weiter tun.“
Tragödie in Saarbrücken
Am Sonntagabend ist in Saarbrücken eine 67-Jährige ums Leben gekommen. Die Frau war bei einem Rettungseinsatz in Saarbrücken am Freitag von einem Einsatzfahrzeug erfasst worden und starb in einer Klinik an den Folgen, wie die Stadt mitteilte. „Diese traurige Nachricht macht mich zutiefst betroffen“, sagte Oberbürgermeister Uwe Conradt und sprach von einer „schrecklichen Tragödie“.
Schon am frühen Samstagabend hatten spielende Kinder an einem Bachlauf im saarländischen Völklingen außerdem eine Sprenggranate aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Die Granate sei vermutlich aufgrund des Hochwassers freigespült worden, teilte die Polizei am Sonntagabend mit. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst der Polizei habe das Geschoss beseitigt. Für Anwohner:innen bestand demnach keine Gefahr.
Enorme Regenmengen hatten im Saarland und in Rheinland-Pfalz bereits am Freitag und in der Nacht zu Samstag für Überflutungen, Erdrutsche und vollgelaufene Straßen und Keller gesorgt. Am Sonntag hatte sich die Lage zunächst entspannt, später am Tag kam es teils wieder zu Starkregen, der in der rheinland-pfälzischen Stadt Kirn neue Überflutungen und Erdrutsche verursachte.
An vielen anderen Orten im Saarland und in Rheinland-Pfalz liefen am Sonntag die Aufräumarbeiten. Menschen wateten mit Gummistiefeln durch das Wasser, Keller wurden leergepumpt, Schäden beseitigt. Im saarländischen Blieskastel wurde die historische Altstadt mit Pumpen vom Wasser befreit.
Rhein tritt auch in Nordrhein-Westfalen über die Ufer
Im nordrhein-westfälischen Soest sind nach zwei Blitzeinschlägen bei einem Pfingstzeltlager 38 Menschen kurzzeitig ins Krankenhaus gekommen. Es handle sich in allen Fällen um leicht Verletzte, teilte die Feuerwehr in Soest am Sonntagabend mit. Das Zeltlager mit vielen hundert Teilnehmer:innen wurde evakuiert, es sollte am Pfingstmontag aber fortgesetzt werden.
Die Feuerwehr startete den Angaben zufolge einen Großeinsatz auf dem Gelände. Insgesamt 62 Menschen seien vom Rettungsdienst gesichtet worden, 38 von diesen dann in die Krankenhäuser der Umgebung gebracht worden. Feuerwehr und Rettungsdienste waren demnach mit 200 Einsatzkräften vor Ort.
Anhaltender Regen und steigende Wasserstände haben den Rhein am Pfingstwochenende an mehreren Orten in Nordrhein-Westfalen stellenweise über die Ufer treten lassen und mancherorts für Probleme gesorgt. In Bonn kletterte der Rhein-Pegelstand am Sonntagnachmittag auf 6,32 Meter. Für Köln meldete die dortige Hochwasserschutzzentrale am Nachmittag einen Stand von 6,38 Metern. Der Höchststand „dieser kleinen Hochwasserwelle“ werde voraussichtlich am Montagvormittag bei einem Stand von zwischen 6,90 und 7,10 Metern in Köln erreicht sein. Schiffe müssen dort ab der Hochwassermarke I – sie beginnt bei 6,30 Metern – ihre Geschwindigkeit drosseln.
Im Bonner Raum waren erste Folgen bereits am Samstag spürbar. Die Feuerwehr rückte bei zahlreichen Einsätzen dabei auch zum Stadthaus an: In das Verwaltungsgebäude im Bonner Zentrum sei Regenwasser eingedrungen, das die Einsatzkräfte beseitigten, berichtete die Feuerwehr am Sonntag. Wassermassen wurden etwa aus einer unbefahrbar gewordenen Unterführung oder auch aus einer blockierten Tiefgarage herausgepumpt.
Uferwege in Köln gesperrt
Aus Köln hieß es, flussnahe Rad- und Fußgängerwege etwa am Rheinboulevard seien bereits teilweise gesperrt. Man sei gut vorbereitet, Schutzmaßnahmen würden im Bedarfsfall umgesetzt. Teilweise seien im Stadtgebiet bauliche Schutzmaßnahmen bis zu einem Pegel von 11,90 Metern vorhanden.
Laut Prognose des Deutschen Wetterdienstes sollte es etwa im Rheinland, Niederrhein, Ruhrgebiet oder auch den Bereichen Gütersloh und Paderborn am Pfingstmontag wechselnd bewölkt sein. Am Nachmittag werde es örtlich Schauer geben, vereinzelt seien auch wieder Gewitter nicht ausgeschlossen. Nach Daten des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz zeichnete sich keine angespannte Lage bei den Gewässern in NRW ab. Die Wasserstände an allen Messpunkten lagen demnach am Sonntag unter den Meldestufen für Hochwasser.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga