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Hochwasser in DeutschlandKritische Lage in Magdeburg

In den nördlichen Bundesländern steigen die Pegel. Die Havel wurde durch kontrollierte Flutung entlastet. In Hitzacker muss die Altstadt evakuiert werden.

Das teilweise überschwemmte Industriegebiet Rothensee in Magdeburg. Bild: dpa

BERLIN afp/dpa | Während sich die Hochwasserwelle weiter nach Norden verlagert, haben in Sachsen-Anhalt und Brandenburg am Wochenende viele Orte entlang der Elbe gegen die Fluten gekämpft. In Magdeburg wurden nach Angaben der Behörden insgesamt rund 23.500 Einwohner zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert, nachdem der Elbepegel am Sonntag einen Höchststand von 7,48 Metern erreichte. Unbekannte drohten unterdessen Anschläge auf Deiche an.

Die Lage in Magdeburg war besonders kritisch, weil sich laut Hochwasserzentrale der Scheitel des Elbehochwassers über eine Länge von 40 Kilometern erstreckte. Dies sei der längste jemals in Deutschland gemessene Hochwasserscheitel. Die teils aufgeweichten Deiche würden dadurch mehrere Tage belastet. Am Samstag war bereits der Stadtteil Rothensee geräumt worden.

Die Helfer kämpften dort um den Schutz eines Umspannwerkes. Am Sonntag sollten dann rund weitere 15.000 Bewohner der östlich der Elbe gelegenen Gebiete evakuiert werden. „Dabei handelt es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme“, erklärte der Leiter des Katastrophenstabes, Holger Platz.

Auch im brandenburgischen Wittenberge stand der Elbpegel am Sonntagmorgen bei 7,67 Metern. Der Hochwasserstab des Landkreises Prignitz rief die Bewohner einiger Stadtteile bereits am Samstag auf, im Interesse ihrer eigenen Sicherheit ihre Wohnungen zu verlassen. In Bitterfeld in Sachsen-Anhalt konnte unterdessen Entwarnung gegeben werden. Die Evakuierungen wurden aufgehoben.

Neuer Regen gefährdet den Süden

Einigen Hochwasser-Regionen drohen erneut starke und auch unwetterartige Regenfälle. In einem Gebiet von Thüringen über Sachsen bis zur Lausitz sowie in Bayern könnten bis Montagmorgen innerhalb weniger Stunden örtlich bis zu 50 Liter Regen je Quadratmeter fallen, sagte Meteorologe Christian Herold vom Deutschen Wetterdienst (DWD) am Sonntag in Offenbach. Die Oberläufe kleinerer Flüsse und Bäche könnten wieder anschwellen.

In Bayern drohe am Montag dann auch großflächig starker Regen. Am heftigsten wird es nach bisherigen Vorhersagen das Allgäu treffen. Weiter im Norden sollen starke Regenfälle dagegen ausbleiben.

Zwar seien die neuen Niederschläge nicht mit den Mengen der vergangenen Woche zu vergleichen, sagte DWD-Experte Herold. Da sie aber in kurzer Zeit fielen und die Böden mit Wasser gesättigt seien, könnte der starke Regen für erhebliche Probleme sorgen. Am Dienstag werde sich dann auch im Süden ein Hochdruckgebiet durchsetzen.

Evakuierung in Hitzacker

Wegen des rasant gestiegenen Wasserstandes der Elbe soll die Altstadt von Hitzacker bis Sonntagabend evakuiert werden. Die rund 280 Bewohner der von Elbe und Jeetzel umflossenen Altstadtinsel müssten ihre Häuser bis 20.00 verlassen, teilte die Stadt Hitzacker am Sonntag mit.

Auch an anderen Orten entlang der Elbe in Niedersachsen bereiteten sich die Einsatzkräfte auf die für Dienstag und Mittwoch erwarteten Rekordwasserstände vor, nachdem die Wassermassen in der Nacht stärker zugenommen hatten als erwartet. Im Kreis Lüchow-Dannenberg wurden wegen der Hochwasserlage weitere Straßen gesperrt.

Die Evakuierung Hitzackers war schon vor einigen Tagen ins Auge gefasst worden, wegen der zunächst gesenkten Prognosen wurde sie dann aber aufgeschoben. Die Räumung sei eine reine Vorsichtsmaßnahme, sagte Stadtsprecher Mirko Tügel. Denn die Hochwasserschutzmauer sei in den vergangenen Tagen so erhöht worden, dass sie einem Wasserstand von 9 Metern standhalten könne. Das sind 80 Zentimeter mehr als der nun für Dienstag erwartete Rekord-Wasserstand von 8,20 Meter. Doch es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Treibgut die Mauer beschädigt.

Zur Entlastung der Elbe-Hochwasserregion rund um Wittenberge werden am Sonntagnachmittag die Havelpolder geflutet. „Um 14.30 Uhr startet die Flutung“, teilte Innenminister Dietmar Woidke (SPD) nach einer Krisensitzung in Perleberg mit. Umweltministerin Anita Tack (Linke) sprach von einer bundesweit einmaligen Möglichkeit, den Hochwasserstand der Elbe zu senken.

Um 11.30 Uhr wurde in der nordbrandenburgischen Stadt eine Rekord-Wasserhöhe von 7,77 Meter gemessen. Mit der Öffnung der Wehre soll auch ein Rückstau in die Havel verhindert werden, die in die Elbe mündet.

Die zehn Polder können bis zu 140 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen. Die Flächen reichen von der südwestlichen Prignitz über Havelberg bis ins havelländische Rathenow. „Es ist möglich, dass dadurch in Rathenow einige Keller voller Wasser laufen können“, erklärte Bodo Schwiegk vom Landesumweltamt. Nach seiner Einschätzung könnten die Polder in zwei bis drei Tagen voll sein.

Auf Grundlage eines Staatsvertrags zwischen Elb-Anrainern hat die zuständige Koordinierungsstelle in Magdeburg die Flutung empfohlen. Damit solle der Scheitel der Elbe an der Wehranlage Quitzöbel gekappt werden. Polder sind von Deichen umgebene Gebiete, die bei Hochwasser absichtlich geflutet werden. Die Rückhalteräume sollen Wohn- und Industriegebiete schützen.

Evakuierung in Lauenburg

Wegen des Hochwassers hat die Bahn am Sonntag eine Elbebrücke bei Magdeburg gesperrt. Davon ist der Fernverkehr zwischen Hannover und Leipzig betroffen, wie die Bahn in Berlin mitteilte. Die Intercity-Züge von und nach Hannover enden und beginnen im Magdeburger Hauptbahnhof. Zwischen dem Hauptbahnhof und Halle wurde ein Busnotverkehr eingerichtet. Ab Halle müssen Reisende dann Nahverkehrszüge nach Leipzig nutzen. Auch der Regionalverkehr aus Leipzig und Berlin nach Magdeburg ist betroffen.

In Lauenburg an der Elbe müssen viele Bewohner der Unterstadt ihre Häuser verlassen. Die Evakuierung soll am Mittag beginnen, sagte ein Sprecher des Krisenstabes am Sonntag. Die gefährdeten Bereiche müssten bis Montag, 9.00 Uhr geräumt sein, heißt es in einer Anordnung des Landrates, die im Internet veröffentlicht wurde.

Ein Tisch bei Lauenburg. Bild: dpa

Grund sind die neuen Prognosen der Hochwasservorhersagezentrale Magdeburg. Danach soll die Elbe an diesem Donnerstag am Pegel Hohnstorf bei Lauenburg einen Höchststand von 10,10 Metern erreichen. Dann stünden die tief gelegenen Teile der Stadt mehr als einen Meter hoch unter Wasser. Höchster bislang gemessener Wasserstand in Hohnstorf war 9,88 Meter.

Die Hochwasserlage an der Elbe in Sachsen-Anhalt und Brandenburg hat sich auch am Sonntag weiter zugespitzt. Der Pegelstand für Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg wurde am Morgen mit 7,45 Metern angegeben. Bereits am Vorabend war die Räumung des Ortsteils Rothensee verfügt worden. Es bestehe die Gefahr, dass dieser überschwemmt werde, teilten die Behörden mit. Der Strom habe dort abgeschaltet werden müssen. Die Stadt stellte Notunterkünfte bereit.

Im brandenburgischen Wittenberge stand der Elbpegel nach offiziellen Angaben am Morgen bei 7,67 Metern. Es wird demnach mit einem weiteren Anstieg auf 8,10 Meter bis Dienstag gerechnet. Der Hochwasserstab des Landkreises Prignitz rief die Bewohner der südlichen Stadtteile von Wittenberge bereits am Samstag auf, im Interesse ihrer eigenen Sicherheit ihre Wohnungen zu verlassen.

Am Sonntag will Bundespräsident Joachim Gauck Hochwassergebiete in Sachsen-Anhalt und Sachsen besuchen. In Halle an der Saale will er unter anderem an einem Gottesdienst für Betroffene und Helfer teilnehmen. In Meißen an der Elbe sind Gespräche mit den Einsatzleitungen geplant.

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5 Kommentare

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  • M
    muth-ah

    Die Gewinne aus den Immobilienobjekten in Überschwemmungsflächen haben Banken, Makler und Gewerbetreibende schon längst in der Tasche. Die können nicht mehr in der Flut verschwinden. Für die Verluste dieser zunächst kostengünstigen Investitionen soll jetzt die Allgemeinheit aufkommen. DAs kommt mir irgendwie bekannt vor.

  • ID
    irgendwie dunkel

    @vic: Wie gut wird es, wenn Gauck kommt, aber Gott nicht da ist, weil er vom Hochwasser abgetrieben wurde ?

  • P
    @Pharao

    Ich habe (als Nicht-Autofahrer) z.B. auch keine Lust Autobahnen und die Unfälle mit zu finanzieren oder konventionelle Landwirtschaft zu unterstützen oder kinderlose oder oder oder....

     

    Genauso könnte man auch sagen, ich habe keine Lust die Medikamente anderer Leute über meinen Krankenkassenbeitrag zu finanzieren uvm.

     

    Aber so einfach ist das nicht und soll es auch nicht sein!

     

    Wir sind (eigentlich) eine demokratische Solidargemeinschaft und können Änderungen fast nur auf politisch-rechtlicher Ebene einbringen.

     

    Und davon abgesehen finde ich das Bauen in bekannten und vielleicht zukünftigen Überflutungsgebieten auch nicht nachvollziehbar.

     

    Technischer Hochwasserschutz lässt die möglichen Überflutungsgebiete immer größer werden...

     

    P.S: Aber Urlaub möchten wir dennoch alle gerne nah am Wasser machen.

  • P
    Pharao

    Also die alten Ägypter waren da irgendwie

    weiter... ist doch absurd, jahrhundertelang

    war Schwemmland einfach Schwemmland, dann

    kommen moderne Menschen auf die Idee dort

    Häuser zu bauen, und damit die Häuser nicht

    überschwemmt werden deicht man die Flüsse

    ein, was die Speicherkapazität verringert

    und das Problem mal wieder in die Zukunft

    (ein paar km weiter flussabwärts) verlagert.

    Wenn man an diesem Bauland festhalten will

    stellt sich dann nur noch die Frage, ob es

    günstiger ist, hin und wieder alles

    überschwemmen zu lassen oder eben Deiche

    zu bauen die ihre Funktion auch unter

    allen Umständen erfüllen und nicht so

    halbherzig irgendwas zu basteln was

    nach Deich aussieht. Und hier stellt

    sich dann die Frage, wer dafür bezahlen

    soll. Also ich hab keine Lust, die

    Besiedelung von Schwemmland mit Steuergeldern

    aus nicht-Schwemmland zu subventionieren.

  • V
    vic

    Gauck kommt, es gibt einen Gottesdienst - alles wird gut.