"Hochschulpakt II": Die Politik steht vorm Studentenberg
Mindestens 275.000 neue Studienplätze müssen an den Unis und Fachhochschulen geschaffen werden, um den Andrang in den kommenden Jahren zu bewältigen.
Seit acht Jahren verlassen Frühjahr um Frühjahr immer mehr Jugendliche die Schulen mit einem Abiturzeugnis. Doch der große Studentenberg steht Deutschland noch bevor. Der Grund sind die doppelten Abiturjahrgänge, die durch die Verkürzung des Gymnasiums auf acht Jahre in zahlreichen Bundesländern entstehen. Dieses Jahr ist es im Saarland schon so weit, im nächsten Jahr in Hamburg und von 2011 bis 2013 dann in den bevölkerungsreichen Bundesländern Bayern, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
Bund und Länder wollen deshalb 275.000 zusätzliche Studienplätze bis 2015 schaffen. Kosten soll das rund sieben Milliarden Euro - pro zusätzlichem Platz 26.000 Euro. Über diese Eckpunkte herrscht unter den Wissenschaftsministern Übereinstimmung - und dennoch konnten sie sich bei ihrem Treffen am Montag nicht auf den "Hochschulpakt II" einigen.
Uneins sind sich SPD und Union über das Prinzip "Geld folgt den Studierenden", das der Berliner Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) und seine rheinland-pfälzische Kollegin Doris Ahnen (SPD) in den Pakt mit aufnehmen wollen. Dabei würden Bundesländer, die viele Studierende aus anderen Ländern ausbilden, mehr Geld bekommen. Die unionsregierten Bundesländer lehnen das als eine Art zweiten Länderfinanzausgleich ab - wohl auch, weil Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg besonders von der Regelung betroffen wären. Viele ihrer Landeskinder gehen zum Studieren in andere Länder.
Nun wird die Zeit aber knapp: Anfang Juni wollen die Ministerpräsidenten das Studienplatz-Ausbauprogramm verabschieden. Die Fachminister von Bund und Ländern haben deshalb für April eine Sondersitzung angesetzt. "Es ist wichtig, dass jetzt ein Konsens zwischen den Ländern gefunden wird", sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Montag in Berlin.
Das Studentenwerk wies darauf hin, dass für die zusätzlichen Studenten auch 20.000 zusätzliche Wohnheimplätze benötigt werden, was weitere 700 Millionen Euro kosten würde.
Doch ob die 275.000 Studienplätze ausreichen, wird von Experten angezweifelt. Der Berliner Bildungsökonom Dieter Dohmen sieht einen Bedarf von 375.000 zusätzlichen Studienplätzen. Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm geht davon aus, dass die Zahl der Studierenden von rund 2 Millionen auf 2,4 Millionen im Jahr 2015 ansteigen wird. Klemm kritisiert zudem die finanzielle Ausstattung des Hochschulpakts II. "Mit diesen Mitteln kann allenfalls der miese Status quo fortgeführt werden", sagte Klemm. Eine Verbesserung der Lehre könne so nicht erreicht werden. Ein "Horrorszenario" wäre es für Klemm aber, wenn über den Ausbau der Studienplätze vor den Wahlen im Herbst gar nicht mehr entschieden würde. "Die Hochschulen brauchen Planungssicherheit."
Das sieht auch die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag so. "Es ist ein Trauerspiel, dass die Fortschreibung des Hochschulpakts in der Luft hängt, während die Zahl der Studierwilligen immer neue Rekordhöhen erreicht", sagte Nele Hirsch. "Die neuen Studienplätze werden jetzt benötigt."
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