Hochschul-Statistik: Auch die Fünftel-Freundin zählt
Nicht zuletzt ökonomisch sei sie ein erheblicher Gewinn für Bremen, sagt die Hochschule. Das hat sie in einer selbstverfassten Studie über Steuereffekte festgestellt.
Die Hochschule Bremen hat eine Studie über ihre regionalwirtschaftlichen Effekte erstellt und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sie dem Land Bremen mehr Geld bringt als kostet. Rund 40 Millionen Euro bekommt die Fachhochschule jährlich von Bremen als Grundfinanzierung. Die würden allein schon durch Steigerungen der Steuereinnahmen und die Einwohnerwertung im Rahmen des Länderfinanzausgleichs wieder eingespielt, heißt es seitens der Hochschule. Dazu kämen die von der Hochschule eingeworbenen Forschungs-Drittmittel in Höhe von acht Millionen Euro, die wiederum zu einem Drittel in Kooperationsprojekte mit der regionalen Wirtschaft flössen.
Diese rechnerische Gegenüberstellung setzt freilich voraus, dass sämtliche FH-Mitarbeiter und Studierende ohne die Hochschule nicht in Bremen leben würden. Autor der Studie ist Werner Willms, der seit der 2010 erfolgten Auflösung des BAW, des aus dem Wirtschaftsressort ausgegründeten Instituts für regionale Wirtschaftsforschung, an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Hochschule arbeitet. Das BAW befasste sich seinerzeit mit Projekten wie dem Spacepark, der Galopprennbahn, der Stadthallen-Erweiterung und dem Musicaltheater am Richtweg – und errechnete deren erwartete regionalwirtschaftlichen Effekte.
Bezogen auf die Hochschule liest sich das nun so: Da von den achteinhalb Tausend FH-Studenten genau 6.323 in Bremen wohnen, kann man deren Zahl mit 4.168 Euro multiplizieren. Letzteres ist der durchschnittliche steuerliche Gewinn laut Einwohnerwertung. Hinzu kommen nicht nur die Hochschul-Angestellten, sondern auch die „Partner“ beider Gruppen. Geht die Hochschule tatsächlich davon aus, jeder ihrer Studierenden sei fest liiert – wobei KommilitonInnen ja gar nicht zählen dürften? „Aber nein“, versichert Willms. Die studentische Partnerwertung sei nur mit dem Summant 0,2 in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingestellt. In Gegensatz zu den 20-Prozent-FreundInnen der Studierenden zählt der Angestellten-Anhang voll.
Nun aber ist auch der Bäcker an der Ecke nicht zu vergessen, bei dem die RaumfahrttechnikerInnen der Zukunft ihre Brötchen kaufen. Direkte und indirekte Arbeitsplätze, an der Hochschule oder abhängig von ihr, gibt es insgesamt 1.608,2 sagt Willms. Wiederum hinzu kämen 482,5 „induzierte Arbeitsplätze“. Das ist zum Beispiel der Hersteller des Haargels des Friseurs, mit dessen Besuch der modebewusste BWL-Student die Effekte-Statistik anreichert.
Die Hälfte der Absolventen bleibe in der Region, Jahr für Jahr seien das „675 hochqualifizierte Arbeitsplätze“, ist auf den Powerpoint-Folien der Studienpräsentation zu lesen. Gemeint sein müssten zwar „Arbeitskräfte“ statt -plätze, aber in der Tat hat die Hochschule auch ein eigenes Existenzgründungsprogramm aufgelegt.
Die wirtschaftliche Relevanz der Hochschule und ihr „wesentlicher Beitrag zur Fachkräftesicherung“ in der Region müsse stärker wahrgenommen werden, folgert Willms. Denn: Mit ihrer „Konzentration auf die universitäre Grundlagen- und Spitzenforschung“ und die Ansiedlung der Jacobs University habe die Landespolitik „zu sehr auf Exzellenz gesetzt“ und die Bedeutung der Fachhochschule unterschätzt. Dennoch, betont Rektorin Karin Luckey, habe die Studie keinerlei Konkurrenz-orientierte Stoßrichtung.
Wie aber wäre es mit einer unabhängigen ökonomischen Evaluation von externer Seite? „Wir hätten gern eine Studie von außen“, sagt Hochschul-Sprecher Ulrich Berlin – „aber die macht ja keiner“.
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