Hochschul-Finanzierung: Undankbare Exzellenz
Die Uni streicht 130 Vollzeitstellen – laut Asta infolge des Exzellenz-Wettbewerbs. Rektor Bernd Scholz-Reiter kann der These nicht widersprechen
Insgesamt 130 Vollzeitstellen, davon allein 80 im wissenschaftlichen Bereich sollen bis 2015 an der Uni Bremen wegfallen. Zur Verschärfung des Einschnitts hat dem Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) zufolge die Exzellenz-Initiative geführt. Die Aussagen des Rektorats weisen in dieselbe Richtung. Der Personalrat hat in einem offenen Brief mehr finanzielle Unterstützung vom Land gefordert.
Aktuell rund 20.000 Studierende sorgen sich um ihre universitäre Zukunft. Zurecht, meint Jean-Jacques Dengler, Vorsitzender des Asta. Gegen den „massiven Einschnitt in Personalstruktur und Angebote der betroffenen Einrichtungen“ setzen die Studierenden sich zur Wehr: Am 3. 7. hatte es zuletzt eine Demo auf dem Uni-Boulevard gegeben. Weitere Aktionen sollen folgen.
Die Schuld sieht der Asta bei der Exzellenz-Initiative: Mit einem anderen Fokus könnte sie die Lehre sichern. Momentan aber fließen die 45 Millionen Euro Fördergeld fast komplett in die Forschung. Sprich: die Uni als Ganzes profitiere wenig davon.
Die Ursache für die heutige Situation liegt lange zurück: Bereits 2007 hatte das Rektorat, damals noch unter Leitung von Wilfried Müller, beschlossen, zehn Prozent der Stellen an der Uni abzubauen.
Damit sollte die vom Land Bremen beschlossene Sparauflage von zehn Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr erbracht werden. Problematisch für eine Universität, die sich am bundesweiten Exzellenz-Wettbewerb beteiligt. Um die Chance auf Erfolg zu wahren, wird der geplante Stellenabbau kurzerhand verschoben.
„Die Kürzungen hätten schon passieren müssen“, bestätigt Rektor Bernd Scholz-Reiter. Der bekommt die Konsequenzen der Verzögerung jetzt zu spüren. Er muss die Reduktion innerhalb kürzester Zeit nachholen. „Das ist nicht so einfach“, so Scholz-Reiter. Schließlich sei man vertraglich gebunden.
Das unangenehme Resultat der jahrelangen Weiterfinanzierung von Stellen, die es planmäßig nicht mehr hätte geben sollen: Ein aktuelles Defizit von neun Millionen Euro und die Notlage im Personalbereich. Hinzu kommen Vorwürfe aus den Reihen der Studierenden. Sie zweifeln am Elite-Status ihrer Uni: „Eine Personaldecke, die es nach den Kürzungen nicht mehr gibt“, habe ihr zum Exzellenz-Titel verholfen, so Jan Cloppenburg, als Student im Akademischen Senat.
Zu den konkreten Auswirkungen der Kürzungen äußert sich Scholz-Reiter: Zwar sollen künftig „keine weiteren Studiengänge geschlossen“ und auch die Zahl der eingeschriebenen Studierenden nicht reduziert werden. Allerdings könne sich „die Betreuungsrelation verschlechtern“. Die ist schon jetzt nicht optimal: Auf einen Professor kommen rund 72 Studierende. An der Jacobs University lautet der Schlüssel eins zu zehn.
In der Realität bedeutet der Stellenabbau also: Überfüllte Lehrveranstaltungen, geringere inhaltliche Vielfalt und erhöhter Druck auf die verbleibenden Mitarbeiter. Nicht gerade exzellente Verhältnisse. Auch von Seiten des Bremer Senats fehlt es bisher an Unterstützung. Trotz exzellenzbedingter Millionen für Forschungsprojekte konnten Kostensteigerungen im Personalbereich nicht ausgeglichen werden. Die Grundfinanzierung wurde seit 2005 kaum angehoben. Schon damals galt die Uni aber als unterfinanziert.
Um ihre große Bedeutung fürs Land Bremen in Erinnerung zu rufen, wendet sich der Personalrat in einem offenen Brief an den Senat und die Abgeordneten der Bürgerschaft. Die Forderung: Der Etat muss nachhaltig angepasst werden, um die Stellenkürzungen abzuwenden. Ansonsten sei die derzeitige Qualität der Lehre nicht länger gewährleistet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben