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„Hoch die internationale Solidarität!“??

■ Kritische Anmerkungen eines zwangsausgebürgerten DDR-Bürgers zur spektakulären Flucht vom Kubat-Dreieck in den Osten

Das Lenne-Dreieck am Tiergarten, von der DDR für viel Geld an den Westen verschachert, ist endlich „besenrein“. Die Schlagzeilen um die Besetzungen der auch 'Republik Kubat‘ genannten Grünfläche sind fast vergessen. In einer Kreuzberger Kneipe werden Erinnerungsfotos angesehen. Kubat -Bewohner auf der Flucht über die Berliner Mauer. Amüsiertes Lächeln. Ist das genug?

Was bedeutet der Gang der 180 BesetzerInnen über die Grenze von West nach Ost? Aus der Not geboren, spontan als Flucht vor der unberechenbaren Knüppelgarde des Innensenators Kewenig mag sie ja verständlich erscheinen. Doch schlimm finde ich es, wenn mit verbundenen Augen und Ohren aus politischer Überzeugung oder einfach gedankenlos gehandelt wird. Das, worüber ein taz-Redakteur im vergangenen Jahr noch witzelte, und sich lebensgefährliche Steinwürfe einfing, wurde jetzt Wirklichkeit: War es damals Zufall, daß DDR-Grenzer und Autonome in einer Linie gegen Anhänger der Mun-Sekte standen, so sprachen diesmal zumindest ein Teil der BesetzerInnen des Lenne-Dreiecks von den Grepos als „solidarischen Genossen“. Damit sind die gemeint, die drüben ganz locker und kumpelhaft auf ihren Leitern lehnten und dem Treiben im ersten geduldeten autonomen Hüttendorf auf DDR -Gebiet zusahen. Mit denen konnte man sich nett unterhalten, und auf deren Hilfe konnte man zählen, wenn die westlichen Ordnungshüter östliches Öko-Schutzgebiet betraten. Auf einem Flugblatt der Kubat-Besetzer war zu lesen: „Fotografiert die West-B(ullen), bei Grenzüberschreitung gebt die Bilder den Ost-B. Die Ost-B haben uns zugesichert, die Mauer(Pfade) gehört uns.“

Wem gehört die Mauer am Lenne-Dreieck? An dieser Stelle wurde im November '86 ein Kreuzberger durch eine kleine Tür in den Osten gezerrt und zu ein paar Jahren Gefängnis verknackt, weil er einen weißen Strich auf die Betonplatten gemalt hatte. Die Mauer ist eben kein Kunstobjekt, sondern ein Hindernis bei der Begegnung zwischen Ost und West. Und während die West-Berliner Polizei erstmals den vielbeschworenen freien Zugang nach Ost-Berlin mit Absperrgittern und Küppeln unterband, wurde vergessen, wer die „neuen Freunde“ in den grauen Uniformen sind.

Die „neuen Freunde“ haben einen Diensteid geschworen, von der Schußwaffe „Gebrauch zu machen“, wenn sich jemand unerlaubt auf den Weg begibt, von Ost nach West. Und so wären sie auch vielleicht bereit, diejenigen zu töten, die aus Richtung Osten zum Kubat-Dreieck ziehen würden, um für Umweltschutz einzutreten und neue Lebensformen zu entwickeln. Die Männer vom Todesstreifen, sie werden plötzlich zum Partner, dessen hilfreichen Armen man sich anvertraut. Allein die Angst vor den freiheitlich -demokratischen Wasserwerfern und Tränengasgranaten kann es nicht gewesen sein. Denn durch den Frühstücksraum der DDR -Grenztruppen schallte es von vielen der dort verköstigten Kubat-Leute dankend „Hoch die internationale Solidarität“.

Roland Jahn

Der Autor ist ehemaliger DDR-Bürger. Er wurde 1983 gegen seinen Willen zwangsweise ausgebürgert.

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