Historischer Machtwechsel in Paraguay: "Armen-Bischof" Lugo neuer Präsident
Nach 61 Jahren löst ein Sozialdemokrat die rechte Colorado-Partei ab: Der ehemalige katholische Bischof und Befreiungstheologe Fernando Lugo.
ASUNCIÓN dpa/afp/taz Der frühere katholische "Bischof der Armen" Fernando Lugo hat die Präsidentenwahl in Paraguay am Sonntag mit 41 Prozent klar gewonnen und damit einen historischen Machtwechsel erzwungen. "Ich werde für die Armen und die Schwachen arbeiten, und dieses Land soll für seine Ehrlichkeit und nicht mehr für seine Korruption bekannt sein", sagte der sozialdemokratisch ausgerichtete Politiker bei einer Rede vor Zehntausenden Anhängern.
Nach Auszählung von 13.000 der 14.000 Wahllokale erreichte Regierungskandidatin Blanca Ovelar 31 Prozent. Auf Platz drei kam der frühere Armeechef Lino Oviedo mit 22 Prozent. Für den Wahlsieg genügte die einfache Stimmenmehrheit.
Mit dem Sieg Lugos setzt sich der Trend zu Mitte-Links-Regierungen in Südamerika fort - wie zuvor schon in Venezuela, Bolivien, Ecuador, Brasilien, Argentinien, Chile und Uruguay. Allerdings distanzierte sich Lugo vom venezolanischen Präsidenten. Hugo Chávez sei "ein Mann des Militärs und ich habe einen religiösen Hintergrund". Lugo vertrat als Bischof von 1994 an die linksgerichtete Theologie der Befreiung und geriet damit in Konflikt mit dem Vatikan. Im Dezember 2006 legte er sein geistliches Amt nieder, weil er sonst nach der Verfassung des Landes nicht für ein politisches Amt hätte kandidieren können.
In den Straßen der Hauptstadt Asunción feierten weitere Zehntausende Menschen den Sieg Lugos und das Ende der Hegemonie der seit 61 Jahren ununterbrochen regierenden Colorado-Partei. "Lugo hat Herz", sangen die Menschen - eines der Wahlkampflieder.
"Die Ergebnisse sind unumkehrbar und wir erkennen den Triumph Fernando Lugos an", sagte Ovelar. Die Kandidatin der regierenden Colorado-Partei war bislang Bildungsministerin gewesen. Der scheidende Präsident Nicanor Duarte konnte nach fünfjähriger Amtszeit nicht wiedergewählt werden.
Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag bestand Wahlpflicht für die 2,8 Millionen Bürger des südamerikanischen Landes. Neben dem Präsidenten wurden auch die 80 Mitglieder des Abgeordnetenhauses und 45 Senatoren sowie 17 Gouverneure gewählt. In beiden Kammern des Parlaments verfehlte Lugo mit seiner Patriotischen Allianz für den Wandel (APC) jedoch eine Mehrheit. Die APC besteht aus zehn Parteien und einem Dutzend sozialer Bewegungen von ganz links bis rechts.
Die Wahlbeteiligung war mit etwa 66 Prozent die höchste bei einer Präsidentschaftswahl seit dem Ende der 35-jährigen Militärherrschaft von General Alfredo Stroessner.
Neben der Bekämpfung der Korruption hatte Lugo im Wahlkampf eine Agrarreform und eine gerechtere Verteilung der Gewinne aus dem gemeinsam mit Brasilien betriebenen Wasserkraftwerk Itaipú angekündigt. Bei diesen Vorhaben dürfte er allerdings auf erbitterten Widerstand der Großgrundbesitzer, des Nachbarlandes Brasilien und der Colorado-Partei stoßen.
Die Colorado-Partei, die etwa eine Millionen Mitglieder hat und damit die mit Abstand größte Organisation des Agrarstaates ist, hatte es seit dem Ende der Diktatur des deutschstämmigen Alfredo Stroessner 1989 nicht geschafft, die Bedürfnisse der breiten Massen zu befriedigen. Obwohl Paraguay ein großer Erzeuger von Soja und Rindfleisch ist, deren Weltmarktpreise in den vergangenen Jahren explodiert sind, lebt die Mehrheit der Menschen in Armut. Unter Amtsinhaber Nicanor Duarte Frutos kam der Geldsegen aus den Agrarexporten nur einer kleinen Minderheit zu Gute.
Während Nachbarländer wie Argentinien und Uruguay sich wirtschaftlich erholen konnten, kehrten deshalb immer mehr Paraguayer der wirtschaftlichen Not in ihrer Heimat den Rücken und wanderten vor allem nach Spanien aus. In den vergangenen drei Jahren ist die Zahl der Immigranten aus Paraguay in die Höhe geschnellt. Etwa 120 000 leben in Spanien, davon nur 20 000 legal.
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