Historische Präsidentenwahl in Guinea: Oppositionsführer wittert Wahlsieg
Der lange verfolgte Oppositionsführer Alpha Condé soll die Präsidentenwahl in Guinea gewonnen haben. Die Anhänger seines Widersachers gehen wütend auf die Straße.
Jahrzehntelang war er verfolgt, Opfer von Haft, Folter und Exil. Jetzt sieht sich der 72-jährige Alpha Condé am Ziel. Guineas langjähriger Oppositionsführer hat sich am gestrigen Montag zum Sieger der Stichwahl um die Präsidentschaft vom 7. November erklärt. Die Frist bis Montagmittag, die sich die Wahlkommission selbst für die Bekanntgabe des Endergebnisses gesetzt hatte, lief derweil aus.
Dem inoffiziellen Endergebnis zufolge, das der taz vorliegt, hat Condé mit 52,6 Prozent der Stimmen gewonnen, 47,4 erhielt der Gegenkandidat Cellou Dallein Diallo. Dem ehemaligen Premierminister wird eine tiefe Verstrickung in die Misswirtschaft der von Condé bekämpften Militärdiktatur des 2008 verstorbenen Präsidenten Lansana Conté nachgesagt. Die Wahl Cellou gegen Condé war damit auch eine Art Abrechnung mit dem Erbe der Gewaltherrschaft.
Allerdings ist diese Konfrontation nicht eindeutig. Als nach Contés Tod eine neue Militärjunta unter Kapitän Moussa Dadis Camara die Macht ergriff, stand Cellou und nicht Condé an vorderster Front der demokratischen Opposition und war eines der vielen verletzten Opfer, als das Militär im September 2009 eine Kundgebung für freie Wahlen zusammenschießen ließ und mindestens 158 Menschen tötete.
Cellou gehört zu Guineas größter Ethnie der Peul, die noch nie einen Präsidenten gestellt hat; Condé ist ein Malinke so wie Guineas erster postkolonialer Diktator Sékou Touré. Und im Oktober, als die Stichwahl verschoben wurde, vertrieben wütende Condé-Anhänger mehrere tausend Peul in Teilen Guineas. Die Peul werden von vielen anderen Ethnien Guineas als ökonomisch dominant angesehen, weshalb man ihnen keinesfalls auch noch die politische Macht geben will.
All dies erklärt, warum Cellou im ersten Wahlgang klar vorne lag, mit 43 Prozent gegen 18 für Condé, aber in der Stichwahl kaum zulegte, während Alpha Condé eine breite Anti-Peul-Allianz um sich geschart hat. Überraschend ist, dass Condé in der Hauptstadt Conakry gesiegt hat, wenn auch nur ganz knapp.
Die Anhänger Cellous fühlen sich nun um den sicheren Wahlsieg betrogen. Ihr Kandidat verlangt die Annullierung der Wahlen in zwei Distrikten wegen Einschüchterung. Am Sonntag bereits, als die offiziellen Teilergebnisse dem anfangs deutlich führenden Cellou nur noch 50,6 Prozent gaben gegenüber 49,4 für Condé, erklärte Cellou, er akzeptiere das Wahlergebnis nicht.
Nun stehen die Zeichen auf Sturm. Nach Alpha Condés Siegeserklärung gab es in Conakry am Montagmittag massive Zusammenstöße zwischen Cellou-Anhängern und der Polizei, mindestens ein Mensch wurde getötet. Condés Anhänger wiederum prophezeien Massenproteste, sollte ihr Kandidat wider Erwarten doch nicht zum Präsidenten gekürt werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart