Historische Pleite für die DFB-Elf: Die Vertrauensfrage

Rabenschwarzer Tag oder mehr? Nach der 0:6-Niederlage gegen Spanien geht es nicht um Müller oder Hummels, sondern um Grundsätzliches.

jubelnde spanische Spielertraube, davor zwei enttäusche deutsche Nationalspieler

Bitterer Abend: Leon Goretzka und Niklas Süle (r.) kennen solche Niederlagen vom FC Bayern nicht Foto: dpa

Es wird jetzt niemand seriös behaupten können, er habe vorab bereits so eine Ahnung gehabt, die deutsche Nationalelf würde ohne Thomas Müller und Mats Hummels von einem Team wie Spanien dermaßen ehrverletzend auseinandergenommen werden. Mit der Entwicklung der letzten Monate sei dieses Team geradewegs in Schussfahrt auf diese historische Pleite zugesteuert. Denn so hoch hatte eine deutsche Mannschaft zuletzt 1931 (Österreich) verloren.

Es gibt Spiele, die möchte man als Verantwortlicher einfach gern aus der Wertung nehmen, so wie ein Weitspringer einen völlig missratenen Versuch auch nicht zählen lassen muss. Von einem „rabenschwarzen Tag“ sprach deshalb Bundestrainer Joachim Löw. „Es war in jeder Beziehung alles schlecht.“ Das Problem ist nur: Den nächsten Anlauf wird er mit seinem Team erst nächsten März wieder nehmen können. Die Niederlage wird in der langen Länderspielpause bis aufs Innerste am DFB-Team nagen.

Nicht grundsätzlich zu werden, fällt aus einem anderen Grund schwer. Teammanager Oliver Bierhoff ist vor einigen Tagen sehr grundsätzlich geworden. Er beklagte die von außen hereingetragenen dunklen Wolken über der Nationalmannschaft, die Missgunst. Vertrauensvorschuss habe das zahlungskräftige Team verdient. Um es zugespitzt zu formulieren: Bierhoff hat die Vertrauensfrage gestellt. Nach der Partie gegen Spanien kann man sagen: Sein Gefühl für den richtigen Moment war schon einmal besser.

Und Weltmeister-Trainer Joachim Löw hatte schon einmal ein besseres Gefühl für seine Mannschaft. Am Dienstagabend stellte er fest: „Wir haben heute gesehen, dass wir noch nicht so weit sind, wie wir uns das erhofft haben.“ Es sei nun „unsere Pflicht, dass wir das alles hinterfragen und auch uns selbst hinterfragen“. Fast wortgleich hat Löw vor zwei Jahren auf das WM-Ausscheiden in Russland reagiert. Es drängt sich der Eindruck auf, dass man nach der damaligen Fehleranalyse nicht entscheidend weitergekommen ist.

Guruhaftes Auftreten

Damals bekannte Löw, es mit dem „fast schon arroganten“ Streben nach Dominanz und Ballbesitzfußball übertrieben zu haben, und kündigte einen Strategiewechsel an. Mit einem zügigen, zielorientierten Umschaltfußball soll nach Balleroberung die kurzzeitige Unordnung beim Gegner maximal ausgenutzt werden. Gute Ansätze dieser Strategie konnte man beim 3:2-Erfolg in den Niederlanden vor anderthalb Jahren beobachten.

Dass das Team dennoch nicht mehr mit einer klar erkennbaren Idee zu identifizieren war und sich zuletzt von Remis zu Remis quälte, hat der Anziehungskraft der Nationalmannschaft geschadet. Darüber konnte auch das guruhafte Auftreten von Löw, der gegenwärtige Enttäuschungen als nebensächlich und Bestandteil eines langfristigen Masterplans deklarierte, nicht hinweghelfen. Die große Idee ist derzeit nicht greifbar. Welchen Plan das DFB-Team gegen Spanien hatte, wird eines der großen Mysterien der Fußballgeschichte bleiben. Es hatte weder etwas mit Ballbesitzfußball noch mit schnellem Umschaltspiel zu tun.

Die Fragen, die mit dem Spiel aufgeworfen wurden, gehen weit über Müller und Hummels hinaus. Die von Bierhoff gestellte Vertrauensfrage bekommt nun einen ganz anderen Dreh. Die Pointe des Abends war, dass die deutsche Auswahl von einem Team vorgeführt wurde, das einen Ballbesitzfußball zelebrierte wie die Löw-Elf in ihren besten Tagen, verfeinert mit rasanten Umschaltmomenten. Obwohl ihr Gegner auf vermeintliche Sicherheit statt auf Ballbesitz und hohes Pressing bedacht war, rissen die Spanier mit ihrem exzellenten Passspiel eine Lücke nach der anderen. Es war wunderschön anzuschauen.

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Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

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