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Hiroshima aus der Kinderperspektive

■ Die Zeichentrickfilme Das Leuchtkäfergrab und Der barfüßige Gen im 3001

Bestimmte Medien hatten immer stärker unter generalisierenden Unterstellungen über ihre Möglichkeiten und Grenzen zu leiden als andere. Ist die Geschichte des Films, bei aller Ökonomie, nur unter dem Vorzeichen seines historischen Kampfs um die Anerkennung als „Kunst“ zu verstehen, blieb dem Comic als Paria unter den Erzählmedien diese Akzeptanz durch die Ideologen des bürgerlichen Kunstverständnisses bis heute weitgehend verwehrt.

Entsprechend hitzig wurde denn auch die Debatte seinerzeit geführt, als sich ein Art Spiegelman in Maus anschickte, die Shoah auf dem Feld der Popkultur erzählen zu wollen. Dass ihm das im Gegensatz zu Spielberg gelang, lag auch an einer Spezifik des Comics, die bis dahin oft als Mangel wahrgenommen worden war: der Unfähigkeit zum Abbild-Realismus, die Spiegelman als Stärke im Sinne eines selbstreflexiven Modernismus erkannte.

Noch komplizierter stellt sich dieses Problem allerdings, wenn es um den Animitationsfilm geht. Denn der kam bisher, als Erzählkino, nie ohne ein Moment der Identifikation aus, für das weltweit Hollywood Pate steht. Was für Konsequenzen das im Einzelnen haben kann, lässt sich nun an zwei japanischen Animes aus den 80er-Jahren überprüfen, die sich auf selten traumatisches Terrain vorwagen: den Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki.

Mori Masakis 1983 nach Keiji Nakazawas Mangaserie entstandener Der barfüßige Gen dürfte die Befürchtungen der schlimmsten Skeptiker bestätigen, dass es einfach nicht möglich ist, ein Ereignis derartiger Negativität als Zeichentrickfilm auf der Leinwand zu verhandeln. Halb Schulaufklärungsfilm mit erklärender Stimme aus dem Off, halb kindliche Initiationsgeschichte auf dem zeichnerischen Niveau von Heidi, gelingt es Der barfüßige Gen an keiner Stelle, seine zielgruppenbedingte Naivität in den Dienst eines Nicht-Verstehens des Unfassbaren zu stellen. Masaki will tatsächlich alles zeigen und banalisiert doch nur: Wenn die Folgen der Explosion am menschlichen Körper abgebildet werden, erinnert das vor allem an Horrorcomics aus den 70er-Jahren oder George Romeros Zombie-Zyklus; der Rest sind fatalistische, wenn auch gut gemeinte Durchhalteparolen gegen den Haarausfall.

Von einer solchen falschen, weil obszönen Konkretion ist Isao Takahatos Das Leuchtkäfergrab (1988) gänzlich frei, genauso vom humanistischen Pathos. Direkt kommt die Katastrophe nie ins Bild; als abwesende Ursache strukturiert sie viel mehr die Odysee des von Anbeginn an totgeweihten adoleszenten Protagonis-ten durch das Massensterben des Sommers 1945. Gelegentlich erinnert Takahatos quälend langsame Bildsprache an den italienischen Neorealismus oder die verschrobene Grammatik japanischer Meister wie Ozu. Wo Masaki noch in den besten Momenten heroisch scheitert, ist es gerade Takahatos vermeintliche Kühle, die ihn vor der tatsächlichen Kälte gegenüber den Opfern bewahrt: eine der beachtlichsten und anrührendsten Leistungen in einem Genre, in dem der Mensch traditionell kaum mehr als einen technischen Anachronismus abgibt.

Tobias Nagl

Der barfüßige Gen: 17. + 18.8., 18 Uhr; Das Leuchtkäfergrab: 20. – 23.8., 18 Uhr, 3001

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