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■ StandbildHirnlose Empörung

Spiegel-TV: „Zeigen oder zensieren?“, Sa., 22 Uhr, Vox

Wenn man Glück hat und in der Gegend um Hamburg wohnt, wird man gelegentlich von den schönen Dingen des Lebens überrascht: Statt Elke Sommer und Wolfgang Joop bietet sich bei Spiegel-TV ein englisches Lehrwerk feil, mit dem sich, wie einem versichert wird, das Klavierspielen über Nacht erlernen läßt. Einfach die Anleitung unters Kopfkissen, und schon spielst du wie der junge Mozart oder der alte Rubinstein.

Ein englischer Störsender ist es, der die matte Frequenz von Vox gelegentlich mit Werbung zubeamt, und niemand bei Vox unternimmt etwas gegen diesen eklatanten Fall von Ausländerkriminalität, weil man fürchtet, ein Rechtsstreit könnte den Sender endgültig ruinieren.

Schade eigentlich. Blieben einem doch Volksaufklärungswerke wie jenes erspart, das Spiegel-TV seinen Zuschauern am Samstag gönnte. Einem 30minütigen Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm „Beruf Neonazi“ folgte eine überlange Lehrstunde, in der viel von der „hirnlosen Ideologie“ Althans', vom „dumpfen Rechtsradikalismus“ und der „braunen Brutalität“ die Rede war. Davon hatte unsereins notfalls schon selber gehört, aber Spiegel-TV meinte es noch besser und lieferte eine „Kurzchronik“ des Jahres 1992 (in dem auch Wilfried Bonengels Film zwischen Toronto, München und Auschwitz gedreht wurde). Je nachdem, welches Spiegel-TV- Material sich im Archiv fand, wurde eine Wehrsportübung auf einem Ausbildungsgelände der NVA oder die Trauerfeier um die in Mölln ermordeten Türkinnen mit Ewald Althans krummgeschlossen. Mit Chronik hatte das nichts zu tun, aber viel mit fernsehüblicher Vermeidung. Denn natürlich fiel kein einziges Wort von dem die Neonazis freundlich begleitenden Anti- Asylanten-Ressentiment, wie es sich auch der Spiegel zunutze gemacht hatte.

Dafür brillierte Stefan Aust als Psycholog: Ein „großgewachsenes Würstchen“ ist Althans oder auch ein „Neo-SS-Typ“; schöner ließ sich der Teufel gar nicht ins Bild setzen. Noch schöner freilich, daß man sich deshalb ausführlich empören und auch noch als Streiter wider Zensur und den Rechtsradikalismus ausgeben konnte. Im Dienste dieser Empörung wurde ein eher belangloses Werk zum „Film auf der Flucht“ aufgeblasen, Bonengel, weil er sich mit einem sog. wichtigen Thema befaßt hatte, zum verfolgten Regisseur, und die übliche Runde sagte wie üblich mit graumelierter Stimme nichts.

So ein Klavierkurs für unters Kopfkissen wäre doch besser gewesen. Willi Winkler

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