HipHop: "Ist Rap doof?"

Alle hören Gangsta-Rap. Was ist mit Conscious-Rap, der klugen Reflektion des Alltags? Eine Suche mit den Rappern Toni L., Textor und Megaloh

Yo, Gangstermutterficker, yo! Bild: dpa

VON JULIAN WEBER UND THOMAS WINKLER

Gesprochene Zeitungen, Faxe vom Plattenteller. So umschrieb der englische Musikjournalist David Toop einmal die Hervorbringungen von Hiphopcrews wie den Jungle Brothers, A Tribe Called Quest oder De La Soul. Diese fanden in ihren Vorstellungswelten Ende der Achtziger, als die ersten Gangwars in Los Angeles tobten, weise, psychedelische oder einfach komische Worte, um die Alltagsanarchie ihres Lebens in ihrer Musik zu reflektieren. Die Bandenkriege sind geblieben, aber von der einstigen "Consciousness" im Rap ist heute nur noch wenig übrig. Längst ist Hiphop mit der ganzen Welt in Kontakt getreten, die Musikindustrie vermarktet aber vornehmlich Gangsta-Rap.

Das war einmal anders. Als Advanced Chemistry 1992 "Fremd im eigenen Land" herausbrachten, war der deutsche Conscious-Rap geboren: Drei Migrantenkinder beschrieben ihre Wirklichkeit. Fortan war deutscher Hiphop nicht mehr nur reine Aneignung, sondern auch Medium für deutsche Befindlichkeiten. Heute meldet sich Advanced-Chemistry-Gründungsmitglied Toni L mit der zehnköpfigen Band Safari Sounds und dem Album "Funkanimal" (360 Grad/RTD) zurück. Es ist eine Funkplatte geworden auf der Toni befreit reimt: "Die Welt wird krank und stirbt / Sobald nicht mehr getanzt wird".

In den 90ern fand Rap ins Reihenhaus. Bürgersöhnchen bemächtigten sich des Formats, und aus Conscious-Rap wurde, so fanden jedenfalls Böswillige, Studentenrap. Die wichtigsten Vertreter: Blumentopf, Eins, Zwo, Kinderzimmer Productions aus Ulm. Deren Rapper Textor lebt nun in Berlin. Auf "Asphalt" (Kinderzimmer Records/RTD) reimt er über die ihm ungewohnte Atmosphäre in der Großstadt, während die Beats von DJ Quasi Modo mit verspielten Beats an das versunkene Zeitalter der "Consciousness" andocken.

Megaloh wiederum repräsentiert die kommende Generation: Der Berliner Rapper möchte zwar nicht "Conscious" genannt werden, aber distanziert sich auch von der so genannten Berliner Härte von Bushido und Konsorten. Auf seinem neuen Album "Alles Negertiv" (Distributionz/Soulfood) rappt 26-Jährige gegen Nazis ("Ihr seid nur neidisch, weil ihr die kleineren Pimmel habt"), von seiner Heimat ("Ich lebe im Land der Verdränger und Heuchler") und findet, dass es im deutschen Hiphop "lange an Inhalten gefehlt" hat. Gewöhnungsbedürftig für die Vertreter der reinen Lehre dürfte zwar Megalohs Frauenbild sein, aber die Kombination aus Straßen-Authentizität, Party-Raps und harten Reimen ist wahrscheinlich näher dran an den originalen Vorstellungen von Conscious-Rap aus den USA, als es seine Vorgänger hierzulande je waren.

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