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HipHop für Radfahrer

„Physics of a bicycle“: Dose One erweitert das Themenspektrum des HipHop. Mal schwelgt er in Erinnerungen an die Kindheit, mal schraubt er die Sprache des Alltags in transzendente Höhen. Sonntagabend rappt er im Magnet

Super, jetzt gibt es HipHop für Radfahrer. Was bisher der Expressionismus von Straße, Club und Bett war, wird nun um surreale Situationen bereichert. Verstärkt tauchen Raps über Hitzestrahlen, schwarze Löcher oder Urlaubserlebnisse aus der Kinderzeit auf. Die Ursache für das neue Plus an Ideen und Formen liegt im Freestyling. Wer heute Mitte zwanzig ist, hat das schon in den prägenden frühen Schuljahren praktiziert. Oder wie Dose One von Clouddead im Interview mit dem englischen Musikmagazin Wire gesagt hat: „Freestyling hat mich intelligenter gemacht. Es sollte nachmittags in Schulen gelehrt werden.“

Mit „Freestyling“ meint der 25-jährige Dose One die alte HipHop-Tradition, aus dem Stand wie aus dem Ärmel ein paar Reime zu schütteln. Freestyling ist sein Zugang zum Rap. Dose One hat gegen andere gereimt und gebattelt, noch bevor er sich an den Schreibtisch gesetzt und ein paar Verse auch mal niedergeschrieben hat. Die bis heute meistverehrten Aktiven der freien Rap-Disziplin, Freestyle Fellowship, zählen daher auch bei ihm zum Kanon, wie seine Heroes lebt Dose One mittlerweile in der Bay Area. Freestylen und Freestyle Fellowship hören, das scheint Bewusstsein und Sprachzentrum tatsächlich in Schwung zu halten.

„Physics Of A Bicycle / Isn't That Remarkable?“ ist so eine Zeile. Klingt unscheinbar, bleibt aber unvergessen für jeden, der das Clouddead-Stück „Bike“ mal gehört hat. Wildeste Hörspielkunst wird da geliefert, Geräusche, Kinderstimmen, Dose Ones Stimmbänder schnattern wie Wildgänse im Landeanflug, alles hart ineinander geschnitten. Irgendwann aber schält sich eine Akustik-Gitarre aus dem Sample-Stakkato. Sie hebt an mit einer lieblichen Akkordfolge, echtes Schlagzeug und echter Bass setzen ein, und Dose Ones immer noch sehr ganshaft-obertonreiche Stimme pflanzt diese Zeilen in eine selige, fast sakrale Melodie ein. Sie lässt das unscheinbare Bild vom Fahrrad derart flimmern, dass sich eine Transzendenz des Deskriptiven einstellt.

„Bike“ paradigmatisch: Das Prinzip des L'art pour l'art hält Einzug in den HipHop. In den letzten zwei, drei Jahren sind einige MCs und Produzenten aufgetaucht, die an Sprache ganz formal interessiert sind. Das Anti-Pop Consortium gehört dazu, weiter Sonic Sum und Mike Ladd. Sie alle sind mit Freestyling sozialisiert worden und brechen erzählerische wie inhaltliche Traditionen des HipHop auf. Logischerweise klingen die dazugehörigen Sounds auch nicht ganz nach Dr. Dre.

Dose One betreibt mit Mush Records eine Mischung aus Label und Posse, die weitere Freistil-Köpfe hervorgebracht hat. Dazu gehört Boom Bip, mit dem Dose One das Album „Circle“ produziert hat. Die Platte schwelgt in Kindheitserinnerungen, während harte Industrialtexturen, Hörspiel-Loops, vereinzelt auch tanzbare Electrobeats darunter hinwegrollen. Letztes Jahr erschien auch das erste selbstbetitelte Clouddead-Album und verblüffte mit jedem Track: Ist es Ambient? Ist es so gut wie My Bloody Valentine? Und wie finde ich aus einer Linie wie „She's Calling Me Tonight / From Just Inside My Lips“ wieder hinaus? Auf dem Weg zu den Antworten steht ein Schild, das Richtung „Bühne“ weist. CHRISTOPH BRAUN

Clouddead, Boom Bip & Dose One, Reaching Quiet, am Sonntag, 14.07., 21 Uhr, im Magnet, Greifswalder Straße

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