Hinrichtung im Iran: Trauerfeier für Deutsch-Iraner Sharmahd in Berlin
2024 gab Iran die Hinrichtung des Deutsch-Iraners Sharmahds bekannt. Nun nehmen Angehörige und Freund*innen Abschied. Trotz Autopsie bleibt die Todesursache unklar.

„Schaut hin“, sagt sie und deutet auf den Sarg ihres Vaters: „So sieht Verrat aus“. Zu der Trauerfeier erschien auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und Linkenpolitikerin Clara Bünger, ein Grußwort des künftigen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) wurde verlesen.
Am 28. Oktober 2024 wurde der Journalist Jamshid Sharmahd vom iranischen Regime hingerichtet. Der deutsche Staatsbürger war 2020 bei einem Zwischenstopp einer Dienstreise in Dubai vom Geheimdienst der iranischen Revolutionsgarden entführt worden. Kurz darauf erfuhr die Welt durch das iranische Staatsfernsehen, dass Sharmahd inhaftiert worden war. Im Frühjahr 2023 verurteilte das Regime ihn wegen „Korruption auf Erden“ zum Tode – ein Urteil, das häufig gegen Oppositionelle ausgesprochen wird.
Jahrelanger Kampf um Freilassung
Jahrelang kämpfte seine Familie, darunter Tochter Gazelle Sharmahd, für seine Freilassung. Doch jahrelang sei nichts passiert, sagt Düzen Tekkal, Gründerin der Menschenrechtsorganisation Hawar.help (kurdisch für Hilferuf). „Jahrelang hat Gazelle die Bundesregierung konfrontiert. Sie wurde vom Kanzler nicht empfangen, sie wurde nicht angehört.“ Deutschland, einer der wichtigsten Handelspartner des Irans, habe sich hinter den Kulissen für Jamshid Sharmahd eingesetzt, hieß es vom Auswärtigen Amt. Doch die „stille Diplomatie“ steht in der Kritik: „Diese Trauerfeier hätte verhindert werden können“, so Tekkal.
Die Schuld am Tod ihres Vaters trage das iranische Regime, sagt Gazelle Sharmahd. Doch es gehe ihr auch darum, die Mitschuldigen anzusprechen. „Unsere Regierung und die USA haben zugesehen, wie mein Vater gejagt, gefoltert und ohne Prozess gefangen gehalten wurde. Ihr habt Papiere unterschrieben und Hände geschüttelt, während mein Vater im Gefängnis saß.“
Jamshid Sharmahds Leichnahm konnte erst im Februar 2025 nach Deutschland überführt werden. Iran leugnet bis heute seine Hinrichtung. Sharmahd sei kurz vor der Vollstreckung an einem Schlaganfall gestorben, heißt es von der Regierung. Eine von der Staatsanwaltschaft Cottbus angeordnete Autopsie konnte keine Klarheit bringen. Äußere Anzeichen für eine Exekution durch Erhängen seien zwar nicht erkennbar gewesen, so Patrick Kroker vom Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte. „Doch der Leichnahm war nicht vollständig“.
Wichtige Organe wurden entnommen
Wichtige Organe wie Zunge, Zungenbein, Herz, Schilddrüse und Kehlkopf seien vor der Überführung nach Deutschland entnommen worden. „Dadurch kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Exekutionsmaßnahme durch Erhängen angewandt wurde oder durch Erdrosseln, was weniger äußere Folgen zeigt“, sagte Kroker.
Ein toxikologisches Gutachten darüber, ob Jamshid Sharmahd möglicherweise an einer Vegiftung starb, steht derzeit noch aus. „Es konnte festgestellt werden, dass der Körper auch schon zum Todeszeitpunkt in einem desolaten Zustand war“, betont Kroker. Sharmahd, der an Parkinson litt, seien im Gefängnis wichtige Medikamente und eine gesundheitliche Versorgung verweigert worden. Die Unklarheit, so Patrick Kroker, sei Teil der Verschleierungstaktik des iranischen Regimes. „Die Obduktion wirft viel mehr Fragen auf als sie beantwortet.“
Davon unabhängig jedoch, ob Sharmahd direkt vom Regime hingerichtet wurde oder an den Haftbedingungen starb, sei klar: „All das ist Mord“, so Kroker.
Merz' übernimmt politische Patenschaft
Die deutschen Behörden stünden nun in der Pflicht, die Todesumstände Jamshid Sharmadhs zu ermitteln und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Ob das passiert, liegt in den Händen des baldigen Bundeskanzlers Friedrich Merz. 2023 übernahm Merz eine politische Patenschaft für Jamshid Sharmahd. Abgeordnete erklären damit, sich für eine:n politische:n Gefangene:n einzusetzen. Ein Besuch des inhaftierten Journalisten wurde Merz von den iranischen Behörden jedoch verweigert.
Tochter Gazelle Sharmahd hat Merz während der Haft ihres Vaters mehrmals getroffen. Bei der Trauerfeier am Freitag verlas die deutsch-iranische Journalistin Shila Behjat sein Grußwort: „Jamshid Sharmahds leidvoller Tod ist uns Verpflichtung.“ Der menschenverachtenden Politik des iranischen Regimes wolle Merz „entschiedener“ begegnen. „Der Kurs wird klarer und härter werden.“
Für Gazelle Sharmahd ist klar: Merz’ politische Patenschaft endet nicht mit dem Tod ihres Vaters. Nicht jede Hinrichtung könne verhindert werden – allerdings gehe es nun darum, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen. „Das kann man meistens nicht, wenn es sich um Iraner im Iran handelt, aber hier geht es um einen deutschen Staatsbürger“, sagte sie der taz. Ihre Forderungen sind deutlich: „Deutschland darf nicht länger Handelspartner der Mörder von deutschen Staatsbürgern sein.“ Sharmahd, so sagt sie, vertraut darauf, dass Friedrich Merz Wort halten und sich die deutsche Außenpolitik gegenüber dem Iran ändern wird.
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