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■ Hindernislauf am KollwitzplatzDer Weg ins eigene Bett blieb versperrt

„Ohne den richtigen Aufkleber auf dem Ausweis geht es hier nicht weiter“, gab ein Polizist an der Absperrung barschen Bescheid. Schon am Abend vor dem 1. Mai war der Nachhauseweg für die AnwohnerInnen und für BesucherInnen des Kollwitzplatzes ein reiner Hindernislauf.

Den Personalausweis mußten sowieso alle zücken, die als „offizielle“ AnwohnerInnen die Polizeiabsperrungen passieren wollten.

Besonders schlecht sah es aber für die UntermieterInnen aus, die keinen offiziellen Wohnsitz am Kollwitzplatz und auch gerade keine Meldebescheinigung parat hatten. Sie wären in der Nacht zum 1. Mai besser zu Hause geblieben. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als den Kollwitzplatz weiträumig zu umlaufen, um vielleicht doch noch eine Zufahrtsstraße zu finden, an der sie sich auch ohne Bestätigung der HauptmieterInnen oder diverse Mietquittungen ihren Wohnungen nähern konnten.

Vorschläge an verschiedene PolizistInnen, angesichts der fortgeschrittenen Nachtzeit doch eventuell mal bei den Hauptmietern anzurufen, blieben erfolglos. Denn das mit der Untermiete würden ja im Moment alle hier an den Absperrungen sagen, erwiderte ein Polizist auf den konstruktiven Vorschlag. Da käme er ja heute nacht gar nicht mehr vom Telefonhörer weg. So blieb manchem nur ein Schlafplatz bei Freunden in anderen Bezirken.

Auch auf der Danziger Straße herrschte die Willkür des polizeilichen Zufalls und machte das Durchkommen für die Anwohner schwierig. Einer Person, die ihren Nachhauseweg in Richtung Schönhauser Allee antreten wollte, wurde der Durchgang versperrt. Begründung des aus Britz stammenden Polizisten: Man wisse nicht, ob sich die als Zieladresse angegebene Kastanienallee/Oderberger Straße tatsächlich in der gewünschten Richtung befinde. Um nach Hause zu kommen, sagte der Beamte, könne man durchaus einen größeren Umweg in Kauf nehmen. Zur Not müsse eben ein Gericht hinterher entscheiden, ob die polizeiliche Maßnahme verhältnismäßig gewesen sei.

Bereits in den Tagen zuvor hatte die Polizei Flugblätter an die Anwohner verteilt und ihnen mitgeteilt, sie sollen ihre Ausweispapiere mit sich führen. Der Bürgermeister von Prenzlauer Berg, Reinhard Kraetzer (SPD), wies gegenüber der taz darauf hin, daß sowohl das Bezirksamt als auch die Fraktionen der BVV vom zuständigen Einsatzleiter der Polizei, Buchholz, bereits vorab über das Polizeikonzept unterrichtet worden seien. Zuvor, so Kraetzer, habe man der Polizei mitgeteilt, daß keine Veranstaltungen im Bereich Kollwitzplatz geplant seien.

Das Polizeikonzept sei aufgegangen, sagte Kraetzer. Dennoch habe er angesichts der weitreichenden Absperrungen ein „sehr beklemmendes Gefühl“ gehabt. In dem von der Polizei abgesperrten Areal wohnen etwa 10.000 Menschen. Ric/wera

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