piwik no script img

vorlaufHimmelreich im Fernsehen

„Himmelreich auf Erden“ (Mo., 20.15 Uhr, ZDF)

„Is jetz bald a Ruah, ihr alten Fickstengel? Des wird a Nachspiel ham!“ Der da oben vom Treppenabsatz lärmt ist der 18-jährige Robert „Baba“ Rutzmoser, nach einem schweren Verkehrsunfall mit retrograder Amnesie geschlagen und jetzt auch noch unglücklich in seine Therapeutin verliebt.

Babas Eltern, einfache Leute aus Gotteszell nahe Passau, haben gerade rustikalen Sex auf der Wohnzimmercouch. Andere Probleme hat seine kleine Schwester Sailor, von der verkalkten Nazi-Oma zum Beten angehalten: „Lieber Gott, mach meine Eltern tot, dann komme ich vielleicht zu den Nachbarn, die haben ein Pferd.“ So weit zwei Aperçus aus der wohl rührendsten TV-Romanze der jüngeren Vergangenheit.

Im Zentrum der kuriosen Gefühlsverstrickungen steht die Neuropsychologin Julie Stiller (Christiane Paul), hübsch, klug, von Männern umschwärmt. Da ist Freund Robert (Wotan Wilke Möhring), der windschnittige Jura-Examinand mit der entsprechenden Lebensplanung, Liebhaber Max (Günther Maria Halmer), der ältliche Bohémien, und da ist Baba (Frederic Welter), der auch bald Ansprüche anmeldet. Und dann – kommt alles ganz anders, als man es bei dem Genre und auf dem Sendeplatz befürchten könnte.

Denn Torsten C. Fischer (Regie) und Günter Schütter (Buch) haben hier einen ziemlich exotischen Stilmix zusammengestellt, mal Melodram, mal grotesk und klamottig, mal ätzender Spott und derbe Komik.

Schütter schreibt seinen Figuren Dialoge, die echt wirken, skrupellos witzig, so ganz anders als die Plastikphrasen der sonstigen Beziehungsschmonzetten. Das Ganze erscheint stellenweise archaisch, wie aus dem Fundus der Volksweisheiten und Bauernregeln genährt.

Und wenn es, wie hier der Fall, mal ins Niederbayerisch-Absurde abdriftet, sieht man gern darüber hinweg, dass es kaum mehr verständlich ist.

Natürlich polarisiert solch ein Film, so mancher wird sich überfordert fühlen. Wer aber dranbleibt, wird, neben feuchten Augen, ein wunderbares, zuckersüßes Filmende bekommen, und eine plausible Theorie vom Himmelreich unweit von Gotteszell. CHRISTIAN WAGENER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen