: Hilfe nach dem Kontrollverlust
Weltkindertag: Kinderschutzbund bietet Beratungs-Offensive für gewaltfreie Erziehung – Ute Pape startet Aufklärungskampagne ■ Von Kaija Kutter
Seine Kinder zu schlagen, ist nicht erlaubt. Auch nicht, sie zu entwürdigen oder seelisch zu verletzen. Nach 20 Jahren Debatte wird diese Norm dieser Tage im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Was passiert mit Eltern, die dies trotzdem tun? Müssen sie gesetzliche Sanktionen oder gar die Wegnahme ihrer Kinder befürchten? Gehören sie zu den Bösen und nicht mehr zu den Guten?
„Eltern, denen es passiert ist, brauchen sich nicht zu schämen“, sagt die Psychologin Cordula Stu-cke vom Kinderschutzzentrum Hamburg. Wohl aber müssten sie sich damit auseinandersetzen, woran es liegt, dass sie ihr Kind geschlagen haben. Stucke: „Wichtig ist der Kontakt nach außen. Dass Eltern und Kinder darüber reden.“ Das Kinderschutzzentrum nimmt den heutigen Weltkindertag zum Anlass für eine Beratungs-Offensive. Von 9 bis 18 Uhr können Eltern bei den insgesamt 22 Hamburger Erziehungsberatungsstellen ihre Fragen stellen und weitere Termine vereinbaren.
Jedes zweite Kind erlebt zu Hause elterliche Gewalt. Dies, so Cordula Stucke, hänge eng mit Überforderung der Eltern zusammen. Unterstützende Netze – Hilfe von Omas, Tanten und Onkels – sind weniger geworden. Hinzu komme, dass viele Eltern, die schlagen, als Kind selbst Gewalt erlebt haben. Stucke: „Die haben das Gefühl, das Kind terrorisiere sie wie einst die eigenen Eltern und wollen sich das nicht mehr bieten lassen.“
Im Kinderschutzzentrum können Eltern in Gesprächsgruppen derartige Erfahrungen aufarbeiten. Gleichzeitig wird nach Wegen gesucht, sich auch mit Kindern in Konfliktsituationen gewaltfrei zu engagieren. „Gewaltfreie Erziehung“, so Stucke, „muss gelernt werden.“ Passiere einem Erwachsenen ein „Kontrollverlust“, gibt es beispielsweise die Möglichkeit, sich bei dem Kind entschuldigen, zu sagen, „ich war genervt, es tut mir leid“.
Der Staat nimmt seit Jahren schon keine Kinder aus Familien heraus, weil bekannt ist, dass der Verlust von familiären Beziehungen für die Kinder alles nur noch schlimmer macht. Nur in extremen Einzelfällen treffen Familiengerichte solche Entscheidungen. Umgekehrt haben Eltern laut Kinder- und Jugendhilfegesetz einen Rechtsanspruch auf Hilfe bei der Erziehung.
Erzählen Eltern bei Erziehungsberatern, dass sie ihre Kinder schlagen, müssen sie nicht mit Strafverfolgung rechnen. Stucke: „Die Eltern stehen nicht auf der Anklagebank.“ Trotzdem verheimlichen viele ihre häuslichen Probleme. „Wir brauchen“, so Stucke, „eine öffentliche Diskussion, die dem Schweigen entgegenwirkt.“
Jugendsenatorin Ute Pape machte gestern einen Anfang, indem sie die Kampagne „Mehr Resprekt vor Kindern“ eröffnete. Über 70 Veranstaltungen in dem Stadtteilen sollen dazu beitragen, „die Erziehungskompetenz der Eltern zu stärken“. Ferner werden 28.000 Adressenlis-ten und 10.000 Klappkarten mit wichtigen Telefonnummern verteilt. Zur Gewalt komme es heute selten auf Grund „autoritärer Erziehungsvorstellungen“, sagte die SPD-Politikerin. Eltern wollten ihre Kinder nicht verletzen. Sie wollten, „dass es ihnen gut geht und harmonisch mit ihnen zusammenleben“. Damit dies gelingt, bedürfe es gerade bei der Kindererziehung gezielter Unterstützung.
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