: Hilfe in der Not
betr.: „Orthodoxes Brooklyn in Berlin“, taz vom 22. 4. 04
Schön zu erfahren, dass die Juden in Berlin von den israelischen und sogar von den amerikanischen Juden beneidet werden, wie Frau Bergemann in ihrem Artikel schreibt. […] Vielleicht hat dieses Mitglied vergessen, dass Deutschland in allen Ländern der Welt immer noch als das Land der Shoah gilt und dass die nahliegende psychologische Assoziation nicht zu Moses Mendelssohn, Leo Baeck oder den Liberalen des vorletzten Jahrhunderts, sondern zu den Nationalsozialisten führt. Zumindest in der jüdischen Welt. Der Gedanke mag manchen der heute in Deutschland lebenden Juden (und vielen Deutschen) nicht gefallen, aber Tatsache ist, dass die Diskussion darüber, welche ethische Verantwortung man als Jude oder Jüdin im Land der Täter hat, längst nicht abgeschlossen ist. Eine andere Sache ist, was viele Juden hierzulande sich über den Begriff von jüdischem Leben einbilden: Sie – und nicht Chabad Lubawitsch, wie im Artikel behauptet – sind eigentlich diejenigen, die ein folkloristisches Judentum leben: ein Leben ohne Traditionen, ohne Gebete, ohne koscheres Essen, ohne alltägliche Pflichten und ohne Wissen … und oft ohne Juden.
[…] Frau Bergemann erwähnt in ihrem Artikel nicht, dass die enorme Arbeit von Herrn Rabbiner Teichtal ein historisches Vakuum füllt und dass er Aufgaben übernimmt, die notwendig für die Existenz einer jüdischen Gemeinde sind. […] Wo waren alle drei namentlich nicht Genannten, als Rav Teichtal in den Winterferien zwischen dem 23. Dezember und dem 2. Januar das Wintercamp für Kinder veranstaltete? Das alles hat sehr wenig mit „Chassidismus“, aber viel mit Hilfe in der Not zu tun!
Die Leute, die solche inhaltslose Kritik üben, sind „tatenarm und gedankenvoll“: Sie können nicht tolerieren, dass die Arbeit von Rav Teichtal erfolgreich ist, weil er offen ist und allen Juden einfach nur Jiddischkeit vermittelt. CHAYA CASSANO REED