■ Hilfe für pflegende Angehörige: Pflegenden Pflege anbieten
Hilfe beim Essen, Aufstehen, Waschen und Anziehen – wer einen pflegebedürftigen Menschen zu Hause betreut, hat einen Fulltimejob. Zeit für Hobbys oder gar den Besuch eines Fortbildungskurses zur häuslichen Pflege bleibt da kaum. Hinzu kommt die Angst, den pflegebedürftigen Menschen allein zu lassen. Das haben jetzt auch die Handelskrankenkasse (hkk), die Bremer Heimstiftung (BHS) und die Paritätischen Pflegedienste (PPD) erkannt. „Das Kursangebot war offensichtlich nicht situationsgerecht“, gibt hkk-Vorstandsmitglied Heinzpeter Mühl zu.
Deswegen haben hkk, BHS und PPD ein neues Schulungskonzept entwickelt, das auf die individuellen Bedürfnisse der pflegenden Familien eingeht. So bietet die hkk jetzt in Zusammenarbeit mit den Pflegediensten und der Heimstiftung kostenlose Kurse für ihre Versicherten im Hausbesuch an. Speziell dafür ausgebildete Kranken- und AltenpflegerInnen schulen künftig zu Hause. Je nach Pflegestufe der zu Betreuenden stehen den Angehörigen zwischen drei und sieben Schulungsstunden zu. „Die häuslichen Qualifizierungsmaßnahmen sollen vermeiden, daß die Pflegesituation langfristig zu neuen Pflegefällen führt“, erklärt hkk-Bereichsleiter Michael Prokopp das Ziel des neuen Netzwerks.
Denn damit sollen die Pflegenden vor allem körperlich und seelisch entlastet werden. So geben die Fachkräfte Ratschläge zur Lagerung, Körperpflege und Ernährung des Pflegebedürftigen, aber auch zur Gestaltung seines Lebensraumes. Wichtiger Bestandteil der Hausbesuche ist neben den praktischen Hilfen aber vor allem das persönliche Gespräch. Viele Angehörige, insbesondere Frauen, sehen sich zu großen Erwartungen durch Angehörige oder sich selbst ausgesetzt, mit denen sie nicht fertig werden. „Diese Menschen müssen lernen, sich auszusprechen und selbst zu entlasten“, erklärt Ursula Wiechmann vom Paritätischen Pflegedienst, die selbst ständig in Kontakt mit Betroffenen steht: „Die Leute im Bett sehen oft besser aus als die Pflegenden.“
Bei der häuslichen Schulung soll deshalb vor allem auch über die Urlaubs- und Krankheitssituation der pflegenden Person gesprochen werden. Die Kasse zahlt in solchen Fällen eine Ersatzpflegekraft, „damit die Pflegenden in Ruhe krank sein und sich erholen können“, so Wiechmann. Eine betreute Gesprächsgruppe der Heimstiftung bietet Angehörigen außerdem die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch mit Menschen in gleicher Lage.
Diese Art Netzwerk zwischen Krankenkasse, Heimstiftung und Pflegedienst ist in Bremen und Niedersachsen bisher das erste seiner Art. Das Angebot steht auch Mitgliedern anderer Kassen offen – die allerdings müssen die Kosten selber tragen. Infos gibt es bei der hkk unter Tel.: 36 55 366. kag
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