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Hilfe bei häuslicher GewaltMinisterium bringt Gewalthilfegesetz auf den Weg

Einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung soll das Gewalthilfgesetz bringen. Das Familienministerium gab den Entwurf nun in die Ressorts.

Das neue Gesetz könnte ein Meilenstein für die Betroffenen werden Foto: Maja Hitij/dpa

Berlin taz | Wer von häuslicher Gewalt betroffen ist, soll künftig einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung haben. So sieht es ein Gesetzentwurf vor, den das Bundesfamilienministerium nun in die Abstimmung mit den anderen Ressorts gegeben hat. Der Entwurf des sogenannten Gewalthilfegesetzes liegt der taz vor. Es will die Bundesländer verpflichten, ausreichend Schutzeinrichtungen wie Frauenhäuser sowie Beratungsstellen zu schaffen. Zugleich soll sich der Bund zehn Jahre lang an den Kosten beteiligen.

„Deutschland hat ein massives Gewaltproblem gegen Frauen“, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Mittwoch bei der Regierungsbefragung im Bundestag. „Das müssen wir geschlossen angehen.“ Das Gewalthilfegesetz sei ein „Meilenstein“, so Paus. Es „schreibe Geschichte“ beim Schutz vor Gewalt. Es sei höchste Zeit, dass jede betroffene Frau gemeinsam mit ihren Kindern die Hilfe und Unterstützung erhalte, die sie bräuchten.

Die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt war im vergangenen Jahr erneut gestiegen. Mehr als 250.000 Menschen waren nach Zahlen des Bundeskriminalamts 2023 betroffen. Dabei liegt die Dunkelziffer deutlich höher. Überwiegend betrifft die Gewalt Frauen: Mehr als 70 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind weiblich, während die Täter mit 76 Prozent zumeist Männer sind. Fast jeden zweiten Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch Partnerschaftsgewalt.

Bisher allerdings gibt es keine bundesgesetzliche Regelung zum Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt. Entsprechend fehlen je nach Gebiet mehr oder weniger Kapazitäten in Schutzeinrichtungen wie Frauenhäusern sowie Fachberatungsstellen. Ziel des Gesetzentwurfs ist nun, ein verlässliches Hilfesystem zu schaffen, das „vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt schützt, interveniert, Folgen mildert und präventiv tätig wird“, so das Papier. Das Gesetz setzt damit die Istanbulkonvention des Europarats gegen Gewalt gegen Frauen weiter um.

Hilfesystem ausbauen

Jeder Mensch soll dem Entwurf zufolge unabhängig von Wohnort, Aufenthaltsstatus oder Einkommen kostenfrei Hilfe bekommen. Vorliegen muss für die Aufnahme etwa in einem Frauenhaus lediglich eine „akute Gefährdungslage“. Für deren Nachweis reichen die Angaben der Betroffenen aus. Eine polizeiliche Anzeige ist keine Voraussetzung für eine Aufnahme.

Vor allem die Länder werden zur Umsetzung des Gesetzes in die Pflicht genommen: sie sollen ein „Angebotsnetz an zahlenmäßig ausreichenden Schutz- und Beratungsangeboten“ sicherstellen. Zudem sollen sie das Hilfesystem ausbauen: mit Maßnahmen zur Prävention von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt sowie zur Unterstützung des Umfelds der gewaltbetroffenen Person.

Zwischen 2027 und 2029 soll sich der Bund am Ausbau des Hilfesystems mit jeweils zwischen 112 und 195 Millionen Euro jährlich an den Kosten beteiligen, so das Gesetz. Zwischen 2030 und 2036 beteiligt er sich mit jeweils 306,5 Millionen Euro. Die Länder sollen dann mit geplanten 379,5 Millionen Euro beteiligt sein.

Aus Koalitionskreisen hieß es am Mittwoch, das Gesetz sei „ein Wendepunkt in der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Deutschland.“ Deshalb sei es richtig, dass der Bund sich befristet an den Kosten beteilige, um die notwendige Infrastruktur mit auszubauen. Ziel sei, das Gesetz noch im November ins Kabinett zu bringen. Sonst könne es in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden.

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3 Kommentare

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  • Für ein solches Gesetz fehlt es dem Bund an der Gesetzgebungskompetenz. Diese liegt bei den Ländern und auch eine zeitlich befristete Kostenübernahme ändert an der Gesetzgebungskompetenz nichts. Hierfür wäre eine Änderung des Grundgesetzes notwendig.

    • @DiMa:

      Zumindest aber kann die Ex-Partei FDP hier nicht weiter bremsen....

      • @Perkele:

        Es kann sein, dass die FDP die einzige Partei der Ampel-Koalition war, welche die Beschränkungen des Grundgesetzeses ernst genommen hat.

        Nur ändert sich durch die aktuelle Entwicklung zunächst nichts, da die Besetzung des Bundestages als Gesetzgeber zunächst unverändert bleibt.

        Im Gegenteil, die FDP kann jetzt bremsen wo sie möchte ohne auf Koalitionspartner Rücksicht nehmen zu müssen.