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Heute feiert der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ein ballrundes Jubiläum: sein hundertjähriges Bestehen. Die taz präsentiert – dem Anlass angemessen – die herausragendsten Vertreter des beliebten Mannschaftssports und deren glanzvolle Verdienste um das spielbare Leder ■ Von René MartensDie Elf des Jahrhunderts

Max Merkel

Der Österreicher machte zwar nur ein Länderspiel für den Deutschen Fußball-Bund (1939). Doch das kann man ihm nun wirklich nicht vorwerfen. Als Trainer wurde er mit dem 1. FC Nürnberg und 1860 München deutscher Meister. Außerdem kann er in zweierlei Hinsicht Vorbildfunktion beanspruchen: Er ist der Prototyp des harten Hundes, der stets für Unterhaltung gut war. Sein Witz wird auch heute noch von modernsten Comedysendungen des Privatfernsehens kaum einmal übertroffen. Darüber hinaus hat er jenen humorigen Pöbel-Kolumnismus erfunden, der den deutschen Fußballjournalismus wesentlich geprägt hat. Heute muss man den 82-Jährigen zwar ins Stadion tragen, dennoch bleibt er mit seinen pfiffigen Aufsätzen („Merkel zieht vom Leder“) Vorbild für Jung, Alt und sogar Edelfedern wie Franz Beckenbauer und Paul Breitner.

Hermann Neuberger

Ein Präsident, wie ihn sich der DFB nicht besser hätte wünschen können. Verhinderte 1978 zum Wohl der Mannschaft, dass der damalige Vaterlandsverräter Günter Netzer (Real Madrid, Grasshopper Zürich) einen Besuch im WM-Trainingslager in Argentinien machte.Als sportverbandsfremde Politiker und Journalisten ihn kritisierten, dass er andererseits einen deutschen Fußballfreund namens Hans-Ulrich Rudel eingeladen hatte, sah sich Neuberger zu einem seiner denkwürdigen Sturzangriffe gezwungen: „Das kommt einer Beleidigung aller deutschen Soldaten des Krieges gleich.“ Der Altnazi flog ein. Und Neuberger blieb 14 weitere Jahre Präsident des DFB. Bis er tot war. Bis heute ist Neuberger (0 Länderspiele) natürlich als rechter Opportunist, Autokrat und Schöner seiner eigenen Geschichte unvergessen.

Franz Beckenbauer

„Vielleicht kommen wir irgendwann zurück. Denn eine Hülle, die wir mit uns herumschleppen, ist nur eine Hülle.“ So kann nur einer sprechen. Franz Beckenbauer (55). Und auch hier wird der wichtigste Wiedergeburts-Theoretiker des DFB (103 Länderspiele, 14 Tore)natürlich recht behalten. Zumindest was ihn betrifft. Seine Hülle hat es mit unnachahmlich spielerischer Leichtigkeit geschafft,zu einem „Denkmal“ (Sport Bild) zu werden. Und sonst natürlich auch alles.Und wenn sie jetzt noch die Fußball-WM 2006 nach Deutschland holt! Eine Reinkarnation dürfte eine von Beckenbauers leichtesten Übungen werden.

Toni Schumacher

Nach vielen Jahren harter Wiederaufbauarbeit und Buße wollte die Welt fast nicht mehr glauben, dass der Deutsche hässlich ist. Es brauchte Harald („Toni“) Schumacher und seine historische Leistung, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Der Torhüter rammte im Halbfinale der WM 198285 Kilo Lebendgewicht in Körper und Gesicht des Feindes: Nach diesem Attentat auf Patrick Battiston rückte die französische Presse den Kölner in die Nähe nationalsozialistischer Schlächter. Sogar in Bundesligastadien wurde Schumacher zu Beginn der folgenden Saison als „Mörder“ (ganz offenkundig fälschlicherweise) und „Verbrecher“ bezeichnet. Dabei hatte er doch nur das Beste gewollt und erreicht: Deutschland war im WM-Finale.

Herbert Zimmermann

Mindestens einmal im Monat wird unsere Liebe zu dem legendärsten aller deutschen Reporter revitalisiert. Dann, wenn man irgendwo wieder unverhofft seine Herbert-Zimmermann-Dosis bekommt. „Toni, du bist ein Fußball-Gott!“; „Halten Sie mich für verrückt, halten Sie mich für übergeschnappt!“; Wankdorf 1954 – der Sieg der entwaffneten Deutschen über die doch scheinbar so übermächtigen ungarischen Berufssoldaten. Das war was. „Aus, aus, aus, das Spiel ist aus!“ Da bekommt man auch heute noch die beste Gänsehaut des Jahrhunderts. Das muss man Zimmermann lassen.

Erich Ribbeck

Der Fußballer Ribbeck wirkte bei Viktoria Köln. Und beim Wuppertaler SV. Danach mühte er sich viele Jahre als Trainer. Und blieb dabei immer freundlich und gut gelaunt. Obwohl er nie etwas gewann – außer einmal und wohl eher aus Versehen. Es war daher folgerichtig und weitsichtig, dass ihn der DFB 1998 zum Teamchef einer Nationalmannschaft berief, die auf viele Jahre auch nichts mehr gewinnen würde. Nicht nur unfair, sondern auch sachlich falsch ist es, wenn ihn der Publizist Dietrich Schulze-Marmeling „eine der am meisten überschätzten Figuren im deutschen Profifußball“ nennt. Im Gegenteil: Ribbeck erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen hundertprozentig (u.a. 0:3 und 0:2 gegen USA, 0:4 gegen Brasilien).

Ulrich Hoeneß

Wir sagen nur: Belgrad, 20. Juni 1976. Im EM-Endspiel gegen die CSSR bombte der Metzgerssohn den entscheidenden Elfer in die Wolken – ein denkwürdiger Augenblick, weil die Auswahl des DFB in ihrer Geschichte ansonsten kein wichtiges Elfmeterschießen verloren hat. Daran werden wir immer denken, wenn wir den Namen Ulrich Hoeneß hören. Da kann er für seine Vorreiterrolle bei der Aufrüstung des Fußballs zur Geldmaschine noch so oft gelobt werden.

Fritz Walter

Der Fritz ist nicht nur DFB-Ehrenspielführer, sondern auch als Russland-Heimkehrer ein großer deutscher Nachkriegsheld. Weil er eben nicht nur für das steht, was der Fußballbuch-Autor Arthur Heinrich „die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Wankdorf-Stadion zu Bern“ nennt – den WM-Titel 1954. Sondern weil Walter (61 DFB-Spiele) sich im Nachhinein zum deutschen Angriffskrieg bekannte. Nachzulesen in seinem 1959 veröffentlichten Standardwerk „11 rote Jäger“ – eines von rund zehn Büchern, in welchen er seine Ideologie niedergeschrieben hat. Es passt perfekt, dass Walter in jenem Verein groß wurde, der von seinem ganzen Wesen her der deutscheste der Welt ist: im 1. FC Kaiserslautern.

Otto „Tull“ Harder

Unvergessen ist der Jubel, der dem großen Mittelstürmer Otto „Tull“ Harder entgegenbrandete, als er 1951 erstmals wieder in das HSV-Stadion am Rothenbaum Einzug hielt. Harder (14 Tore in 15 Länderspielen für den DFB) war gerade vier Jahre im Gefängnis gewesen. Eigentlich hätte der Ausnahmekicker eine 15-jährige Strafe für Kriegsverbrechen absitzen müssen. 1933 in die SS eingetreten, war er Hauptscharführer im Konzentrationslager Neuengamme sowie Lagerleiter im KZ Ahlem bei Hannover. Die innige, von gegenseitigem Verständnis geprägte Beziehung zwischen deutschem Fußball und deutschem Faschismus symbolisiert niemand besser als dieser HSV-Stürmer.

Uwe Seeler

Von 1954 bis 1963 schoss der Hamburger Seeler in der Oberliga (damals 1. Liga) in 237 Spielen 267 Tore – eine übermenschlich anmutende Bilanz. 1997 feierte der Christdemokrat Friedbert Pflüger den DFB-Ehrenspielführer (43 Tore in 72 Spielen) als Vorbild für einen anderen Dicken: „Kohl ist vielseitig verwendbar ..., manchmal weicht er ein wenig nach halbrechts aus, am liebsten aber schießt er als Mittelstürmer die Tore, ganz wie Uwe Seeler.“ Ist was dran, zumal Letzterer als HSV-Boss eines der Prinzipien des Systems Kohl auf den Punkt brachte: „Eine gute Demokratie braucht auch ein bisschen Diktatur.“ 1998 kratzte er sich öffentlich am Gemächt. Dafür bleibt er unvergessen.

Roland Müller-Wohlfahrt

Der deutsche Fußball hat keinen Glamour, er riecht allenfalls nach jener Sorte Schickeria, wie man sie aus Helmut-Dietl-Filmen kennt. Der halblangmähnige Medizinmann des FC Bayern und des DFB-Teams verkörpert dies perfekt. Dr. Müller-Wohlfahrt, Vater der aktuellen Matthäus-Begleiterin, hat es außerdem geschafft, zu einem Vorbild für eine Romanfigur zu werden – den Schurken Darius Schmitt-Zander in Rainer Stephans „Lokalderby“.

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