■ Heute, am 1. Dezember, ist wieder Welt-Aids-Tag: Nichts als eine Infektionskrankheit
Erinnert sich noch jemand an den Anfang der Achtzigerjahre? Als die Welt, glaubte man dem Spiegel, vor nichts so sehr Angst haben sollte wie vor einer Krankheit, nämlich Aids? Schwule seien verantwortlich für diese Art von Pest, hieß es. Nicht nur das Magazin aus Hamburg profilierte sich mit Berichten, die Ängste schürten, und plädierte gelegentlich sogar dafür, ganz Sprecher des gesunden Volksempfindens, gefängnisartige Hospize zu bauen, in die Aidsinfizierte interniert werden, um den gesunden Rest der Bevölkerung vor Ansteckung zu schützen.
Die liberalen Eliten in den meisten demokratischen Ländern Europas (hierzulande u. a. Rita Süssmuth) haben dafür gesorgt, dass Aids zu einer Frage der Prävention und nicht der Bestrafung wurde. Darüber hinaus haben die (meist von homosexuellen Männern angetriebenen) Forschungseinrichtungen Medikamente entwickeln können, die HIV-Infizierten eine Lebenserwartung ermöglichen, die über die von akut an Krebs Erkrankten hinausgeht – ähnlich hoch (und niedrig) wie die von Zuckerkranken.
Eine HIV-Infektion ist kein Todesurteil mehr. Die meisten Menschen, nicht nur die Schwulen, haben gelernt, sich vor einer Infektion zu schützen: durch Enthaltsamkeit, eher noch durch Kondome. Wer jetzt ungeschützten Sex hat, weiß, worauf er oder sie sich einlässt. Ein Restrisiko bleibt also – eines, mit dem jeder leben kann, wenn er oder sie will. Die wenigen Neuinfektionen sind zu bedauern, aber kein Skandal.
Wichtiger ist jetzt wieder Politik. Eine, die Sorge trägt, dass auch in armen Ländern Aufklärungsarbeit forciert wird, die nicht an den Moralvorstellungen der dort herrschenden Bräuche scheitert; dass Aidspräparate auch dort bezahlbar werden. Der Welt-Aids-Tag darf in den deutschen Betroffenenszenen als Tag des Erfolgs gefeiert werden. Außerhalb der Ersten Welt jedoch droht die Apokalypse.
Jan Feddersen
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