Hetzvideo von Evangelikalen gedreht: Rechte christliche Fanatiker
Das Video „Unschuld der Muslime“ wurde offenbar von rechten US-Evangelikalen und anderen christlichen Extremisten gedreht. Die Crew wusste davon nichts.
BERLIN taz | Drei Tage nach Beginn der Proteste gegen das unter dem Titel „Unschuld der Muslime“ veröffentlichte Video ist die Frage, wer eigentlich hinter dem Streifen steht, noch immer offen. Sicher scheint nur: Die ersten Berichte, der Macher sei ein 52-jähriger in den USA lebender israelischer Jude namens Sam Bacile, sind falsch.
„Sam Bacile“ gibt es nicht, wahrscheinlich auch nicht die angeblich „100 Juden“, die für die Herstellung des Films insgesamt fünf Millionen US-Dollar gespendet haben sollen – und womöglich gibt es auch gar keine Zwei-Stunden-Filmversion des lediglich als „Trailer“ deklarierten 14-minütigen Youtube-Clips, der jetzt im Zentrum der Aufregung steht.
Bisherige Recherchen von US-Medien und der Nachrichtenagentur AP legen nahe: Kein Sam Bacile, keine Israelis, keine Juden – stattdessen evangelikale US-Rechte im Verbund mit christlichen Extremisten aus verschiedenen Ländern des Nahen Ostens könnten hinter dem Video stecken.
AP stieß auf mehrere Personen, die an der Herstellung des Films beteiligt waren. Im Zentrum steht Nakoula Basseley Nakoula, ein polizeibekannter Betrüger. Der 55-Jährige sagte, er sei koptischer Christ, habe die Logistik für das Video bereitgestellt.
Erstaunliche Ähnlichkeit der Namen
Er sei allerdings nicht der Regisseur gewesen – das sei Sam Bacile. Dessen vorgebliche Handynummer führte AP allerdings wiederum zur Adresse Nakoulas außerhalb von Los Angeles, und dessen zweiter Name „Basseley“ klingt womöglich nicht zufällig sehr ähnlich wie Bacile.
Unterstützt wurde die Produktion auch durch den radikal-evangelikalen Ex-Marine Steve Klein. Er habe beim Drehbuch geholfen, sagte Klein der Los Angeles Times und bestätigte, „Sam Bacile“ sei nur ein Pseudonym. Über Klein gibt es beim Southern Poverty Law Center, jener Nichtregierungsorganisation, die Hassgruppen in den USA beobachtet, ganze Dossiers – von antiislamischen Aktivitäten über Proteste gegen Abtreibungskliniken bis hin zu Verbindungen zur rechten Minutemen-Bewegung selbsterklärter Grenzschützer reicht das Repertoire.
Aber offenbar wurde nicht nur die Öffentlichkeit über die Identität der Filmemacher getäuscht – selbst Filmcrew und Schauspieler wurden im Unklaren darüber gelassen, an was sie da mitwirken.
Der Los Angeles Times soll eine Erklärung der gesamten Crew vorliegen, die sich von dem Film distanziert und die Ereignisse bedauert, die er ausgelöst hat. Die Schauspieler seien für ein Filmprojekt unter dem Titel „Wüstenkrieger“ gecastet worden, eine mutmaßliche Satire über das Leben im Orient vor 2.000 Jahren. Alle den Propheten Mohammed beleidigenden Äußerungen seien nicht so gedreht und gesprochen, sondern nachträglich überblendet worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“