Hessens Regierungsbildung und die Finanzkrise: Ypsilanti hat Geldprobleme
Die Finanzkrise erschwert die Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen. Denn während SPD und Grüne sparen wollen, möchte die Linke Geld ausgeben.
WIESBADEN taz Die Finanzkrise ist auch in Hessen angekommen. In den Seminarräumen eines Wiesbadener Ökohofes machten die Verhandlungsdelegationen von SPD und Grünen zu Beginn ihrer Koalitionsgespräche in Hessen am Dienstag erst einmal symbolisch Kassensturz. Dass zum Verteilen an die jeweilige Klientel nicht viel drin sein würde in der Landeskasse, war den Partei- und Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, Andrea Ypsilanti und Tarek Al-Wazir, schon länger klar. Doch die globale Krise zwinge jetzt zusätzlich zur Sparsamkeit beim politischen Handeln, hieß es aus beiden Parteien.
Die zur Tolerierung von SPD und Grünen bereite Linke drängt dagegen auf eine mit Krediten zu finanzierende Investitionspolitik. Nur so könne der Politikwechsel gelingen. Für eine Fortsetzung der Sparpolitik von Roland Koch (CDU) brauche es keine neue Landesregierung, sagte die Landtagsabgeordnete Janine Wissler bestimmt - und provokativ für SPD und Grüne. Ypsilanti verbreitete am Vormittag dennoch demonstrativ Optimismus: "Wir arbeiten alle am Gelingen dieses Projekts", sagte sie zu Beginn der Koalitionsverhandlungen.
Ab Mittwoch erörtern dann Fach- und Arbeitsgruppen von SPD und Grünen die von den Politikern vorgegebenen landespolitischen Themen - unter Haushaltsvorbehalt. Die Linke werde laufend informiert. Ende nächster Woche schon soll dann ein unterschriftsreifer Koalitionsvertrag vorliegen. Klar ist aber auch: Das alles wird "kein Herbstspaziergang" (SPD) und "kein Zuckerschlecken" (Grüne).
Der vom Landesrat der Partei der Linken am Montagabend verabschiedete Forderungskatalog soll noch in dieser Woche auf drei Regionalkonferenzen der Basis zur Kenntnisnahme und dann den Delegierten aus den Kreisverbänden auf einem außerordentlichen Landesparteitag am Sonnabend in Friedberg zur Abstimmung vorgelegt werden. In einem Papier dazu sichert die Parteispitze der Linken SPD und Grünen zu, dass man dem avisierten Doppelhaushalt auf jeden Fall zustimmen werde, wenn darin Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Mittel für Investitionen im Sozialbereich enthalten seien.
Für "unerlässlich" erklärte die Linke dagegen auch am Dienstag auf einer Pressekonferenz im Landtag wieder vier Punkte aus diesem Katalog: keine Privatisierung, kein Stellenabbau im landeshoheitlichen Bereich, keine Kürzungen bei Sozialleistungen und im Umweltschutz.
Sozialdemokraten und Grüne bezeichneten die Forderungen denn auch versöhnlich als "geeignete Grundlage für eine Zusammenarbeit". Doch auch im Parteirat der Linken hatte es mit Blick auf die avisierte Tolerierung durchaus kritische Stimmen gegeben, wie Parteisprecher Achim Kessler berichtete. Mit dem Verweis auf "gebrochene Wahlversprechen" von SPD und Grünen auf Bundesebene hätten mehrere Mitglieder des Landesrates betont, dass die angestrebte rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen nur so lange mit der Unterstützung durch die Linke rechnen könne, wie sie konsequent einen echten Politikwechsel praktiziere. Den Koalitionsvertrag von SPD und Grünen soll die Basis der Partei deshalb noch vor der Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin durch die Fraktion noch einmal "politisch bewerten" - im Rahmen einer Mitgliederbefragung.
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