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Hessens FDP-Chef über Schwarz-Gelb"Schluss mit der Interviewdiplomatie"

Der stellvertretende hessische Ministerpräsident und Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) greift die Union als Koalitionspartner scharf an und verteidigt seinen Parteichef Guido Westerwelle.

Nicht ganz auf der Höhe der Zeit: Motivwagen auf dem Mainzer Rosenmontagszug 2010 mit Merkel und Westerwelle im Honeymoon. Bild: dpa
Interview von Gordon Repinski

taz: Herr Hahn, Union und FDP beschimpfen sich gegenseitig in der Debatte um Hartz-IV-Empfänger. Ist die Wunschkoalition nach 5 Monaten am Ende?

Jörg-Uwe Hahn: Die FDP ist zu euphorisch in die Koalition gegangen. Wir dachten, die Union sei kompromissbereit. Aber da haben wir uns geirrt. Die Union steckt gedanklich noch in der großen Koalition. Das ewige Querfeuer der CSU gibt zudem das Gefühl, dass Opposition gegen Regierung polemisiert. Ich kann nur sagen: Das haben wir jetzt erkannt und werden es auch ansprechen.

Bild: dpa
Im Interview: 

Jörg-Uwe-Hahn, 53, ist seit 2005 Landesvorsitzender der FDP Hessen und seit einem Jahr hessischer Minister für Justiz, Integration und Europa. Der Vizeministerpräsident ist zudem Mitglied des FDP-Bundesvorstands.

Die Union flirtet mittlerweile heftig mit den Grünen.

In Hessen ist das kein Thema - das bestätigen mir Meinungsforscher. Und wenn es in Nordrhein-Westfalen Schwarz-Grün gäbe, hätte auch Angela Merkel mit ihren Konzepten verloren.

Wie tief ist der Graben zur Union?

Er ist nicht unüberwindbar. Aber jetzt ist Schluss mit der Interviewdiplomatie. Auf einen groben Klotz muss manchmal auch ein grober Keil.

Die Debatte wurde durch eine herbe Kritik von Guido Westerwelle angestoßen. Sind Hartz-IV-Empfänger aus FDP-Sicht dekadente Faulenzer?

Jörg-Uwe Hahn: Die Frage ist doch: Wie finanzieren wir unsere Sozialsysteme. Leisten wir Hilfe zur Selbsthilfe - oder richten sich Empfänger in Hartz IV ein? Die Debatte ist nicht neu. Es wird nur von den Gegnern eine Empörungsstrategie gefahren. Wir bekommen immer wieder Leute in Talkshows vorgeführt, die sagen, dass sie nicht arbeiten wollen. Manche finden es schön, von der Gesellschaft finanziert zu werden. Und jetzt sollen die Hartz-IV-Sätze erhöht werden? Die arbeitenden Steuerzahler müssen das alles finanzieren. Nicht der liebe Gott.

Es entsteht der Eindruck: Die FDP trägt eigene Krisen auf dem Rücken der Schwächsten aus.

Die Argumentation Westerwelles ist fokussiert und auf den Punkt. Er hat wachgerüttelt. Unsere Gesellschaft ist nicht mehr in der Lage, über soziale Gerechtigkeit offen zu diskutieren. Ich halte es nicht für gerecht, dass jemand staatliche Unterstützung erhält, ohne etwas dafür zu leisten, wenigstens ehrenamtlich.

Der Nordrhein-Westfale Andreas Pinkwart fordert nun, Westerwelle solle Macht teilen.

Die Umfragewerte der FDP sind nicht gut. Andreas Pinkwart muss seine Landtagswahl für die Partei und für sich gewinnen. Ich glaube nicht, dass seine Aussage den wahren Zustand der FDP widerspiegelt. Ich nehme mir jedenfalls die Macht, die ich brauche, und trage genug Verantwortung. INTERVIEW: GORDON REPINSKI

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11 Kommentare

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  • I
    isomatte

    Es darf nicht vergessen werden, dass auch Herr Hahn sich vielleicht im Moment ein bisschen bedrängt fühlen dürfte wegen eines Untersuchungsauschusses zur Affäre um gemoppte Steuerfahnder in Hessen.

     

    Er hat also, genau wie us' Guido, einen guten Grund abzulenken vom Thema "staatlich geschützte Steuerhinterziehung" und stattdessen auf den nicht lobbygeschützten Schwächsten der Gesellschaft rumzukloppen.

  • S
    sebastian

    Da hätte man ruhig mal kritischer nachfragen können. Bei der schwachbrüstigen Argumentation von Herrn Hahn, hätte man ihn sogar locker vorführen können.

  • E
    Erika

    Da sieht man mal, wo die Politiker der FDP ihre Informationen her haben: aus dem Nachmittagsprogramm der Privatsender. Viel tiefer kann ein Politiker nicht sinken ...

     

    Ich wünsche ja keinem etwas Böses. Aber wenn jemand, der auf Steuerzahlers Kosten gut lebt und mit sehr kurzer Amtszeit eine Rente erwirtschaftet von der Menschen die 40 Jahre lang geschuftet haben nur träumen können sich derartig äussert (ohne übrigens was in die Rentenkasse eingezahlt zu haben!) dann dreht sich mir der Magen um! Und ich frage mich, warum kein einziger Politiker in den Genuss von Hartz4 kommt. Liegt es vielleicht daran, dass die Damen und Herren, die uns regieren, sehr gut für sich selber vorgesorgt haben?

  • S
    Stefan

    Unsere Gesellschaft ist nicht mehr in der Lage, über soziale Gerechtigkeit offen zu diskutieren ??

     

    Vielleicht sollte sich auch Herr Hahn mal Gedanken machen, dass nicht die Hartz IV Sätze zu hoch sind, sondern die Löhne zu niedrig.....Die FDP ist gegen einen bundesweiten Mindestlohn und nur mit einem angemessenem Mindestlohn können Arbeitnehmer auch mehr verdienen...die Hartz IV Sätze sind viel zu niedrig und die Löhne auch.

  • KD
    Karl der Große

    ...Ich glaube nach wie vor.. das Herr Westerwelle nur versucht, die Armen gegen die ganz Armen gegeneinander aufzuhetzen.

     

    ..Folge: Die unteren 40% werden noch ärmer.., die Abwärtspirale geht immer weiter ..,

     

    was wir wirklich brauchen ist ein kleines Wirtschaftswunder für Arme Leute.

     

    Aber daran traut sich Herr W. nicht., denn um das in Gang zu setzen bedarf es mehr als Populistische, Sinnfreie Reden

  • M
    Martin

    Was ist denn das für ein geistiges Niveau, Herr Hahn, wenn Sie Ihre Erkenntnisse aus den Auftritten bezahlter Gäste bei Talkshows ableiten? Zitat: 'Wir bekommen immer wieder Leute in Talkshows vorgeführt, die sagen, dass sie nicht arbeiten wollen'. Sind Sie überhaupt nicht dazu in der Lage, derartige Auftritte als gewollte Provokation auf Bild-Zeitungsniveau einzuordnen, die ja schon deshalb nicht stimmen, weil man sich mit derartigen Auftritten in der Regel problemlos ein paar hundert Euro pro Sendung verdient, also genauso 'arbeitet' wie alle andere merkwürdigen TV-Gestalten, die auch alles sagen, was sie sagen sollen? Haben Sie wirklich noch nie selbst mit Hartz IV Empfänger gesprochen, so dass Sie sich auf Talkshows beziehen? Wie jämmerlich und widerwärtig ist das!!!

  • C
    Carsten

    Uwe Hahn lässt sich also von RTL über die soziale Realität von Hartz IV-Empfängern unterrichten. Warum fragt er nicht auch die BZ, wie mit Sexualstraftätern umgegangen werden soll? In einer offenen Debatte auch Tortenwürfe erlaubt sind, würde ich die auch gern führen.

  • KK
    Karl Kraus

    Mit dem Argument, man bekomme immer wieder Leute in Talkshows vorgeführt, die nicht arbeiten wollen, begründet der Mann Politik??? Das ist ja selbst meinem Stammtisch zu blöd! Mein Gott, der Mensch lebt von meinen Steuergeldern. Uiuiui!

  • AV
    Ainer von Fielen

    Danke das uns die FDP wachrüttelt: sie provoziert doch auch die Frage: können und müssen wir uns in Deutschland noch so eine Politikerklasse leisten, die es in 100 Tagen nicht schafft aus billigen Opportunismus in ernsthaften Regierungsbetrieb umzuschwenken. Nicht nur Harz4 kostet den Staat viel Geld, sondern auch Gehälter und Pensionen von Tausenden Politikern über deren Arbeit man doch auch mal eine Debatte lostreten könnte, jetzt da wir dank Westerwelle den Mut zu freien Debatten zurückgewonnen haben. Was leistet die Regierung und wieviel Geld bekommt sie dafür. Was leistet Westerwelle als Außenminister? Kommt er seinen Aufgaben nach? Was leistet der Bundesinnenminister der im EU-Ministerrat nicht die Interessen der Deutschen vertritt (in dem er nicht explizit gegen die Swift-Datenweitergabe stimmte)? Was leistet die verstummte Kanzlerin?

  • I
    iBot

    "Die Argumentation Westerwelles ist fokussiert und auf den Punkt."

     

    Die Realsatire Hahns auch.

  • A
    atypixx

    "Wir bekommen immer wieder Leute in Talkshows vorgeführt, die sagen, dass sie nicht arbeiten wollen."

     

    Dem Herrn ist auch kein ´Argument´ zu peinlich.