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Hertha BSCHertha spielt schon Meister

Manager Hoeneß tanzt vor Freude: Auf vier Punkte wächst der Vorsprung der Berliner an der Tabellenspitze nach dem 3:1-Sieg in Cottbus. Fraglich ist weiterhin, ob Erfolgsstürmer Woronin, der alle drei Treffer erzielte, in Berlin gehalten werden kann.

HERTHA BSC: Die ganze Wahrheit

Cottbus - Hertha: 1:3 (1:2)

Losung I: "Wir ändern unser Ziel noch nicht. Wir werden weiter versuchen, die Euphorie zumindest in der Mannschaft niedrig zu halten." Kapitän Arne Friedrich nach dem ersten Sieg in der Lausitz seit fast sechs Jahren.

Losung II: "Wir sind sieben Punkte weg vom sechsten Platz. Ich will nicht unken, aber das geht ganz schnell." Manager Hoeneß stapelt tief.

Nein, so hat die Fußballwelt Dieter Hoeneß noch nie gesehen. Umringt von den Spielern, tanzte der Manager von Hertha BSC auf dem Rasen des Stadions der Freundschaft. Hoch das Bein, wild wie beim Pogo - Szenen, die allein schon zeigen, dass Bemerkenswertes passiert sein musste. "Es war ein besonderer Sieg", sagte Hoeneß, und fügte hinzu: "Dieses Spiel war ein Charaktertest."

Nach fast sechs Jahren hat der Berliner Bundesligist mal wieder Angstgegner Energie Cottbus besiegt, mit 3:1. Doch das war es nicht allein. Auf vier Punkte ist der Vorsprung des Bundesliga-Tabellenführers angewachsen. Längst bestimmen die Fans die Musik zum Tanz. "Hey, was geht ab", singen sie, "wir holen die Meisterschaft." Da fällt die Zurückhaltung auch immer schwerer für Funktionäre wie Präsident Werner Gegenbauer, der vor dem Kabinengang jedem einzelnen Profi die Hand drückte. "Wir haben nur drei Punkte mehr als heute morgen", sagte er und wirkte, als müsse er sich auf die Zunge beißen. Ebenso wie Hoeneß, der sich selbst von Statistiken, wonach 75 Prozent aller Meister auch Tabellenführer nach dem 23. Spieltag waren, "nicht locken" ließ. Am deutlichsten wurde noch der besonnene Trainer Lucien Favre: "Alles läuft für uns." Der Schweizer hörte an diesem Tag gar nicht mehr auf zu lächeln.

Es war ein eindrucksvolles Spiel: Gegen Cottbus gewann die Hertha nicht nur mehr Zweikämpfe, sie hatte auch einen effektiven Stürmer, der alle drei Tore erzielte. "Ein Woronin hat heute für uns gereicht", sagte der Cottbuser Präsident Ulrich Lepsch, während bei den Herthanern Begriffe wie Weltklasse im Zusammenhang mit dem Mann des Tages fielen. Einen Kopfball, einen Abstauber und einen Slalomlauf durch die halbe Abwehr erfolgreich abgeschlossen - das war das sehenswerte Arbeitsprotokoll des Ukrainers, der ganz gelassen blieb. "Die Mitspieler servieren mir die Bälle sehr gut in den Lauf, ich muss sie nur noch reinmachen", untertrieb er. Dabei hat er selbst viele Bälle erobert und verteilt.

Zehn Tore hat Woronin in dieser Saison schon erzielt. Hinter den Kulissen ist ein harter Kampf um seine Zukunft entbrannt, wie auch Favre unfreiwillig verriet: "Wir beschäftigen uns mit zwei, drei Spielern. Aber das ist geheim, dazu darf ich nichts sagen." Es ist unklar, ob Hertha sich die Leihgabe vom FC Liverpool über die Saison hinaus leisten kann.

Hoeneß spricht von der Wirtschaftskrise und dem großen Gesamtpaket Woronin, dessen Gehalt und Ablöse jeweils bei vier Millionen liegen soll - da muss ein klammer Klub wie Hertha genau rechnen und abwarten, bis die Champions League erreicht wird. Parallel muss Hoeneß den Stürmer-Markt nach billigeren Kräften sondieren - und mit der Furcht leben, dass ein anderer Klub Woronin lockt.

Doch muss nach diesem beeindruckenden Berliner Auftritt auch über einen weiteren Mann gesprochen werden, ohne den das Ergebnis nicht möglich gewesen wäre: über den Cottbuser Stürmer Emil Jula. Der ist ein Koloss, 1,92 Meter groß und 85 Kilo schwer. Doch er wirkte ganz klein, als er gebückt in die Kabine schlich. "Ich bin untröstlich, dass ich die Mannschaft im Stich gelassen habe", stammelte der rumänische Angreifer. Oft ist ja im Fußball die Rede davon, dass ein Tor ein ganzes Spiel auf den Kopf stellen kann. In diesem Fall war es ein Nicht-Tor.

Es lief die 30. Spielminute, als Rangelow den Ball eroberte, präzise auf Angelow passte - und dieser Jula bediente. Der perfekte Angriffszug. Der Stürmer stand sieben Meter vor dem leeren Tor und hatte alle Zeit der Welt. Auch Julas Kollegen wie Daniel Ziebig hatten im Geiste schon die Arme zum Jubeln hochgerissen: "Ich habe gesehen, wie der Ball in die lange Ecke geht. Ja, der geht in die lange Ecke - und dann geht er vorbei."

Alle Beteiligten bezeichneten später diese Szene als entscheidend: Statt 2:0 in Führung zu gehen, kassierte Cottbus vier Minuten später das 1:1. Diese vergebene Chance, befand auch Hoeneß süffisant, tauche bestimmt in jedem Saisonrückblick auf, "in diesen gewissen Rubriken". Er meint die kuriosesten, peinlichen Torheiten, über die die Fußballnation schmunzelt. Sicher, das Berliner 0:1, als dem Torhüter Jaroslav Drobny ein Freistoßball von Cagdas Atan durchrutschte, gehört auch dazu - aber diese Peinlichkeit blieb eine Randnotiz, "weil die Mannschaft mittlerweile die Siegermentalität hat, so etwas zu verarbeiten", so Hoeneß. Auch auf schwierigem Terrain tänzelt Hertha inzwischen leichtfüßig Richtung Titel.

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