Hertha BSC Berlin: Trainer weg, Manager angezählt
Nach fünf Niederlagen wird Michael Skibbe als Trainer von Hertha BSC wieder entlassen. 200 verbitterte Hertha-Anhänger stürmten am Sonntag das Vereinsgelände.
STUTTGART taz | Als sich Peter Niemeyer und Kapitän Andre Mijatovic am Samstag in der Mercedes-Benz-Arena nach dem 0:5-Debakel von Hertha BSC in die Kurve begaben, um sich zu entschuldigen, da erwartete sie nur noch ein kümmerlicher Rest der nach Stuttgart gereisten Berliner Fans. Die Ultras hatten den Gästeblock bereits in der Halbzeit verlassen.
"Man muss sich stellen, wenn man so was verbockt. Die erste Halbzeit war grausam. Alles was wir uns zuletzt aufgebaut haben, haben wir wieder zum Einsturz gebracht", sagte Peter Niemeyer. So schlecht wie beim 999. Bundesligaspiel der Klub-Historie haben sich die Berliner kaum einmal präsentiert.
Der demonstrative Liebesentzug der Anhänger setzte sich dann gestern Vormittag in der Hauptstadt fort. Zum Abschluss des Trainings liefen rund 200 gut eingepackte Anhänger auf das Vereinsgelände nahe dem Olympiastadion und hielten einen Schweigemarsch ab. Sie ignorierten die Anweisungen der Ordner und verfolgten die Hertha-Spieler stumm auf dem Weg zum Auslaufen.
Um eine Eskalation zu vermeiden bot der Verein den kritischen Anhängern eine Diskussion im historischen Kuppelsaal des Olympiaparks an. An der Diskussion nahmen von Vereinsseite Spieler wie Kapitän Andre Mijatovic und der Zeugwart und ehemalige Spieler Hendrik Herzog teil. Es folgte ein emotionales Gespräch, das nach 30 Minuten friedlich endete. Andre Mijatovic war zu diesem Zeitpunkt bereits über die Trennung von Trainer Michael Skibbe informiert. Teile der Mannschaft redeten danach in der Geschäftsstelle noch weiter mit den Fans.
Stuttgart demütigte schwache Berliner
Die Wut der Anhänger war verständlich. In Stuttgart stand eine Mannschaft ohne Gefühl und ohne Aufbäumen auf dem Platz und lieferte eine erbärmliche Leistung ab. Eine unglaubliche Viertelstunde des VfB Stuttgart reichte, um das Team zu demontieren.
Innerhalb dieser Zeitspanne waren den Stuttgartern durch Vedad Ibisevic (25.), Martin Harnik (28./41.) und Shinjij Okazaki (25.) vier Treffer gelungen. Harnik setzte in der 58. Minute noch einen drauf zum 5:0 und die 45.000 hatten ihren Spaß daran, wie die Formation von Michael Skibbe gedemütigt wurde.
Das eigentliche Unheil nahm für die Berliner seinen Lauf als Andreas Ottl in der 30. Minute dem Stuttgarter Tamas Hajnal brutal von hinten in die Beine sprang und Rot sah. Im dritten Spiel in Folge beendeten die Berliner eine Partie in Unterzahl.
Michael Skibbe stand bei dabei stoisch an der Seitenlinie, die Hände in einer schwarzen Daunenjacke vergraben und machte nicht den Eindruck, dass er dem Team die Lethargie austreiben könnte. "Die erste Halbzeit war die schlimmste, die ich je als Trainer erlebt habe. Das war so schlecht, dass man dafür kaum Worte findet", sagte er. Das klang für die Hertha-Führung nicht nach einem Plan, wie der Klub innerhalb von zwei Jahren den zweiten Abstieg verhindern kann.
Skibbe hatte eine intakte Mannschaft übernommen
Manager Michael Preetz vermied es deshalb schon in Stuttgart, Treueschwüre auf den Trainer abzulegen. Gestern erfolgte dann die Trennung. Skibbe hatte die Nachricht enttäuscht, aber gefasst aufgenommen. "Ich übernehme die Verantwortung für die Trainerverpflichtung, die leider nicht aufgegangen ist", sagte Preetz. "Aber wir mussten jetzt handeln."
Skibbe hatte erst im Dezember 2011 eine intakte Mannschaft mit einem gewissen Polster zur Abstiegszone übernommen, Hertha hatte sogar eine Ablösesumme für ihn bezahlt. Unter Skibbes Regie verlor die Bundesligaspiele gegen Nürnberg, Hannover, Hamburg und Stuttgart, schied zudem im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Mönchengladbach aus. Null Punkte, 1:12 Tore.
Skibbe eilte in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt schon der Ruf voraus, dass er Dinge nicht zu Ende bringt und von den Spielern nicht sonderlich viel fordert. Und jetzt das jähe Ende, trotz eines Vertrags bis 2014. Preetz deutete gestern allerdings an, dass sich aufgrund von diversen Klauseln der finanzielle Schaden für Hertha im Rahmen hielte. Das Ansehen des Managers allerdings hat gelitten. Preetz entließ mit Skibbe bereits den vierten Trainer in zweieinhalb Jahren. Davor mussten schon Lucien Favre, Friedhelm Funkel und Markus Babbel gehen.
Einen Nachfolger konnte der Manager gestern noch nicht präsentieren, doch es läuft alles auf den bisherigen U19-Trainer der Hertha, den ehemaligen Profi Rene Tretschok als Interimslösung hinaus Parallel soll nach einem neuen Chefcoach gefahndet werden. Wenn dieser nicht die Wende schafft, dann dürfte auch Preetz um seinen Job bangen müssen.
Es geht also in der Rückrunde auch um dessen Existenz. "Ist das nicht in jeder Saison bei mir so? Im ersten Jahr durfte Hertha nicht absteigen. Im zweiten musste der Aufstieg her. Und jetzt dürfen wir nicht absteigen", sagte Preetz. Die Fans werden die Entwicklung mit Argwohn beobachten.
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