Herr Hefele in Wimbledon: Abstellen, Boris!
■ Bei der Arbeit am Becker-Kult bleibt Berater Meyer-Wölden einiges zu tun
Gott sei Dank ist der ganz große Regenkelch vorübergegangen. In der BBC haben sie besonders aufgeatmet; die Interviews waren immer länger geworden und die Sendezeit- Füllfilme immer älter. Borg gegen McEnroe, damit konnte man noch umgehen, aber dann: Billie Jean King mit streichholzdünnen Ärmchen. Damit ist es vorbei – mit den dünnen Ärmchen, meine ich.
Während der Einweihung des neuen Courts Nr. 1 präsentierte sich die Rekord-Wimbledon-Siegerin wohlgenährt dem sie so gerade noch wiedererkennenden Publikum. Da machte unser Boris, ehemals – Boom- Boom – und mittlerweile auf dem Weg zum Weltstar (Kategorie Michael Jackson/Papst) eine wesentlich bessere Figur. Wie seriös er ausschritt und bescheiden den Erinnerungsteller zeigte. Das hatte schon was.
Herr Hefele an Boris: Hör auf, dich amGemächt zu kratzen!
Wie wir dem Spiegel entnahmen – alles kein Zufall. Imageplanung. Oder haben Sie geglaubt, Frau Babs sähe wirklich freiwillig ständig so madonnenhaft drein? Jedenfalls – es funktioniert. Boris auf dem Court, das ist schon lange nicht mehr Publikum und Tennisspieler. Das ist auf der einen Seite El Becker und auf der einen Seite ein sich wie vor dem aufkommenden Gewitter duckender Hühnerhaufen. Das war gegen den Spanier Gorriz besonders zu spüren, als das Spiel auf dem kleinen Court Nr. 3 stattfand. Es war aber auch da, als Becker am Samstag in Runde 2 den Schweden Johansson abservierte. Fast andächtige Stille, wenn der Meister raumgreifend den Rasen quert. Staunende Ohs und Ahs auch anläßlich mittelmäßiger Schläge – kaum Beifall für den Gegner. Dessen Punktgewinne eher mit leichtem Naserümpfen quittiert werden: So was tut man einfach nicht.
Wenn Unruhe im Publikum aufkam, genügte ein strenger Blick aus Löwenaugen. Becker genießt – das steht außerhalb jeden Zweifels – zumindest in Wimbledon, die Anbetung einer Kultfigur. Er ist trotz der „English Lions“ Tim Henman und Greg Rusedski und trotz des besseren Spielers Sampras, das charismatische Zentrum der Spielerszene. Natürlich mußte er gestern auch nicht spielen.
Zum einen Teil geschieht all dies zu Recht. Wie Becker Wimbledon über zwölf Jahre mit seinen Siegen und mit seinen Niederlagen geprägt hat, das wird ihn für Tennisfans unsterblich machen. Nicht die Nutella-Werbung, Herr Meyer- Wölden. Wenn auch ordnende und imagebildende Hände allenthalben zu spüren ist. Fast allenthalben, denn einige Bereiche haben sie noch nicht hundertprozentig im Griff.
Bereich 1: In den Pausen nach zwei Spielen tut Boris immer noch Schleim aufziehen, ausspucken und vor sich in den Rasen treten. Natürlich zeigt das deutsche Fernsehen in dieser Zeit Werbung, aber die Zuschauer im Stadion sehen es doch! Abstellen!
Bereich 2: Richten des Gemächtes zwischen den Ballwechseln. Entweder muß sich Boris anderes Unterzeug zulegen ... oder was abkleben, oder was weiß ich. Michael Jackson tut's zwar auch in der Video-Öffentlichkeit, und Uwe Seeler hat es auch getan vor laufenden Kameras, aber: Der Papst täte das nie. Unbedingt abstellen!
Wie wir sehen, noch viel Arbeit für Imageberater Meyer-Wölden. Dafür eine schöne Geschichte in der Times: Boris, the book and the bodyguard. Das muß man lesen. Es ging dann aber gar nicht um unseren Boris, sondern um Jelzin und seinen früheren Vertrauten, der so heißt wie eine Krankheit, die man nach langem Alkoholabusus kriegt: Korsakow.
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