Heroinvergabe vom Staat: Rangeln ums Modellprojekt
■ Bremen bewirbt sich erst gar nicht / Dafür preschen jetzt andere Städte vor
Hannover. Wenn es künftig „Stoff vom Staat“ gibt, sollen ganz im Gegensatz zum verhaltenen Bremen zumindest Hannovers Drogenabhängige beim Modellprojekt der Bundesregierung dabei sein. Schließlich sei die Leinestadt Gründungsmitglied des „Städtebündnisses Karlsruher Appell“, begründete Sozialdezernent Thomas Walter kürzlich in einem Brief an Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen). Das Städtebündnis fordert Versuche zur Vergabe von Heroin an Süchtige. Und kaum hat sich die rot-grüne Regierung für einen neuen Weg in der Drogenpolitik ausgesprochen, geht offenbar das Gerangel um die Teilnahme los.
„Ich habe gehört, daß aus Frau Fischers Sicht Hamburg und Frankfurt als Städte für den Modellversuch in Frage kommen“, sagt Walter. Und Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) betonte bereits, er sei zuversichtlich, daß zum Jahresende in Hamburg 200 bis 300 der rund 7.000 Heroinabhängigen an einem Modellversuch teilnehmen könnten. „Wir haben aber mindestens den gleichen Stand an Vorbereitungen. Auch die notwendige klinische Infrastruktur unserer Stadt bleibt nicht hinter anderen Kommunen zurück“, meint Hannovers Sozialdezernent.
Seit zwei Jahren arbeiten Drogenexperten der niedersächsischen Landeshauptstadt gemeinsam mit ihren Kollegen des Städtebündnisses an einem Konzept für den geplanten Versuch. Zu der Initiative zählen außer Hannover noch Berlin, Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Karlsruhe, Köln und München. Mitte Februar sind die neun Städte zu einem Gespräch mit der Gesundheitsministerin eingeladen.
Dabei sollen die Rahmenbedingungen für den Versuch diskutiert werden, berichtet ein Mitarbeiter der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Christa Nickels (Grüne). Wer wie lange Heroin auf Rezept bekommt, ist eine von vielen noch nicht geklärten Fragen. Die Entscheidung darüber bestimmt den Kostenrahmen: „Je größer der Kreis der Betroffenen gefaßt wird, desto teurer wird der Modellversuch“, heißt es aus dem Nickels-Büro.
Geht es nach den Wünschen der Drogenbeauftragten, dann werden Schwerstabhängige nach Schweizer Vorbild unter ärztlicher Aufsicht zwei bis drei Jahre lang mit Drogen versorgt. Dabei würde es sich um einen wissenschaftlich begleiteten, sogenannten multizentrischen Versuch handeln – also um einen Versuch, an dem mehrere Städte beteiligt sind, der aber von einer übergeordneten Instanz medizinisch überwacht wird.
Auf den Startschuß des Modellprojekts – offiziell für das Jahr 2000 vorgesehen – warte nicht nur Hannover sehnsüchtig, sagt der Städtebündnis-Sprecher und Bürgermeister von Karlsruhe, Norbert Vöhringer. Im Gegensatz zu anderen Partnern des Städtebündnisses habe Hannover aber schon geklärt, daß die Stadt einen Teil des Projekts mitfinanziere, betont Sozialdezernent Walter. Rat und Verwaltung, Hannovers Polizei sowie die SPD-Landesregierung haben dem Versuch bereits zugestimmt. „Wir stehen Gewehr bei Fuß, und ich bin sicher, daß es klappt“, meint Walter. Aus dem Gesundheitsministerium in Bonn heißt es dazu freilich vorerst nur: „Es gibt mehrere Städte, die versuchswillig und geeignet sind. Erst muß das 'Was' und 'Wie' geklärt sein, dann das 'Wer'.“
dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen