: Herbergen knapp bei Kasse
Hospize in Westfalen-Lippe klagen über sinkende Einnahmen. Die Krankenkassen wollen die Tagessätze nicht erhöhen. Sie fordern: Die „Einrichtungen müssen wirtschaftlicher werden“
VON GESA SCHÖLGENS
Sterben soll in NRW wirtschaftlicher werden: Die Krankenkassen fordern die Hospize auf, ihre Einrichtungen ökonomischer zu führen. Dabei klagen die Sterbehäuser schon jetzt über sinkende Einnahmen. Seit Jahren verweigerten die Kranken- und Pflegekassen eine Anpassung der Tagessätze an die gestiegenen Kosten. Im Durchschnitt müsste künftig jede Einrichtung jährlich rund 150.000 Euro aus Spenden und Eigenmitteln aufbringen. „Das ist extrem viel. Außerdem sind die Spendenerlöse nicht steuerbar“, sagt Steffi Kirchhöfer, Verhandlungsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes NRW.
17 Hospize von Caritas, Diakonie und Paritätischem Wohlfahrtsverband wollen jetzt ihre Forderung nach höheren Tagessätzen und neuen Verhandlungen durchsetzen. „Der Tagessatz orientiert sich einfach nicht an der realen Kostensituation“, sagt Eric Lanzrath, Geschäftsführer der Gesellschaft für Pflegesatzverhandlungen im Caritasverband Münster. So liege die Vergütung zwischen 204 und 223 Euro pro Tag, die Kosten seien aber auf 250 Euro gestiegen.
„Der Konflikt wird auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen“, sagt Harald Westbeld, Pressereferent des Caritasverbands Münster. Die personellen Einsparungen müssten durch ehrenamtliche Helfer ausgeglichen werden. Auch die Betreuung der Bewohner leide, wenn weniger Personal im Einsatz sei. Geschlossen werden müsste noch kein Hospiz. „Aber ihre Zukunft ist bedroht.“
Mittlerweile müssten die Hospize zwischen 20 und 30 Prozent an Eigenanteil aufbringen – vereinbart wurden ursprünglich zehn Prozent. Der Eigenanteil wird aus Spenden finanziert. Den Rest trägt der Patient – können er oder seine Angehörigen nicht zahlen, springen die Hospize ein. „Das ist für jeden Dienst schwierig“, so Elke Simon von der Deutschen Hospizstiftung in Dortmund. Besonders wirtschaftlich schwache Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte verfügten über weniger Spendenmittel. Zudem sind die Kosten für die Einrichtungen gestiegen, unter anderem durch höhere Energiepreise.
Am Niederrhein hätten die Hospize bei den Verhandlungen mit den Kassen weniger Probleme, so Eric Lanzrath. „Es wird mehr darauf geachtet, was die Hospize wirklich brauchen“. Davon wollen die Kassen in Westfalen-Lippe nichts hören. „Im Rheinland gibt es laut Statistik nur etwa sechs Euro mehr pro Tag“, so AOK-Westfalen-Lippe-Sprecher Karl-Josef Steden. Die Hospiz-Träger schätzen den Betrag höher ein. „Aber auch kleine Summen machen schon viel aus“, so Kirchhöfer.
Laut Gesetz dürfen die Leistungen der Kassen nur entsprechend der Grundlöhne aller Versicherten steigen, um die Beiträge stabil zu halten. Die Lohnsteigerung fällt aber seit Jahren gering aus. „Auch die Hospize müssen was tun und wirtschaftlicher arbeiten“, sagt AOK-Sprecher Steben. In Westfalen-Lippe sei die Hospizdichte sehr hoch, der Wettbewerb aber gering. Kosten könnten etwa durch ehrenamtliche MitarbeiterInnen gespart werden. In Bundesländern wie Baden-Württemberg arbeiteten die Hospize kostengünstiger. Die Träger sehen nicht, wo die Hospize noch sparen können. „Ehrenamtlichkeit stößt an Grenzen, die ehrenamtlichen Mitarbeiter können die Pflege- und Wirtschaftskräfte nicht ersetzen“, sagt Kirchhöfer.
„Auch unsere Einnahmen sind nicht unendlich“, sagt Thomas Hamacher, vom Verband der Angestellten-Krankenkassen (VDAK) Westfalen-Lippe. „Wir können nicht den Hospizen einen größeren Teil des Kuchens geben als den Hausärzten“. Die Diskussion falle natürlich schwer, da es hier um sterbende Menschen gehe, räumt Hamacher aber ein.
Die Zahl der zu betreuenden Menschen steigt – ebenso die der ehrenamtlichen HospizmitarbeiterInnen. Die Hospizbewegung fordert, dass die Bedingungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen menschenwürdiger und die dortige Versorgung besser werden. „Unser Standard muss überall angeboten werden. Hospize dürfen nicht die Lückenbüßer des Systems sein“, sagt Elke Simon.