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Her mit den Häkeljäckchen!

Wo ist nur Pam Grier gebieben? Die Mainstreamfilme der Berlinale entwerfen männliche Phantasmen und Frauenbilder zwischen Heiliger, Leidender und Hure. Wer sich beschützen läßt landet am Herd, während Karrierefrauen böse enden

von KATJA NICODEMUS

Das waren noch Zeiten, als Quentin Tarantinos „Jackie Brown“ die Berlinale aufmischte. In der Rolle der coolsten aller Stewardessen trickste die ass kickin’ black action mama Pam Grier gleichzeitig Robert De Niro, Samuel L. Jackson und die Polizei von Los Angeles aus. Den Mann, der vielleicht der ihres Lebens geworden wäre, lässt sie am Ende mit einer Träne im Auge bzw. einem Lied der Delphonics zurück und fährt mit dem neuen, weißen Hosenanzug und einem Haufen Geld in ein anderes Leben.

Plötzlich war da so eine Hoffnung, dass mit der toughen Pam weitere coole Frauen ins Kino einziehen könnten, Frauen ohne Piepsstimme, die zum Whisky gerne mal die Beine hochlegen und souverän genug sind, einem Mann, den sie gerade erst kennen gelernt haben, Fragen über das Leben zu stellen: „Wie denken Sie über Freundschaft, Max?“

Von der schwesterlichen Schneise, die Pam Grier in den Mainstream geboxt hat, ist in den bisherigen Wettbewerbsfilmen der Berlinale leider keine Spur zu sehen. Der Trend geht zum Weibchen, zur Leidenden und in den katholischen Filmländern mal wieder zum männlichen Phantasma zwischen Heiliger und Hure. Den Anfang machte der alte Kitschbruder Giuseppe Tornatore mit seiner Pubertätsfantasie „Malèna“. Monica Belluci stolziert während des Zweiten Weltkriegs als Femme fatale durch ein italienisches Küstendorf, wird zur wandelnden Masturbationsvorlage für die Jugend des Dorfs und muss am Ende schwer büßen für ihre frivolen Eskapaden. Die Schlussapotheose bildet ein domestiziertes Wesen im Häkeloutfit. Tornatores Heldin bleibt reine Projektionsfläche und existiert letztlich nur im mal begehrlichen, mal voyeuristischen, mal mitleidigen Blick ihrer männlichen Umgebung.

Die Geschichte von der weiblichen Heldin, die vom handfesten Liebhaber auf den Weg der Vernunft und in den Haushalt geleitet wird, erzählt das französische Kino gern in der Version der bedeutsam schweigenden Schönen mit geheimnisvoller Vergangenheit. In Patrice Lecontes Wettbewerbsfilm „Felix & Lola“ ist es Charlotte Gainsbourg, die die Beschützerinstinkte weckt – mit transparenter Blässe, schwarz umringten Augen und einer fast schon Besorgnis erregenden Zerbrechlichkeit. Als melancholisch aus dem Nichts hereinflatternde Lola bringt sie das Leben eines Schaustellers aus dem Lot. Sie ist die Frau, die niemals lacht, allenfalls verlegen lächelt und auf Fragen keine Antwort gibt. Mit einer wackligen pseudodogmatischen Kamera stilisiert Leconte die birnchenblinkende Jahrmarktswelt als romantische Kulisse und die Karussellbesitzer als menschelnde Nomadenfamilie, in der die Rastlose endlich eine Heimat findet. Im letzten Dialog werden gleich die zukünftigen Blagen geplant.

Und es gibt sie doch, die selbstbewusste Karrierefrau im Wettbewerb. Doch gleich in der ersten Einstellung von Mike Nichols’ Film „Wit“ sagt uns das verkniffene Gesicht von Emma Thompson, dass beruflicher Erfolg und Durchsetzungsvermögen durchaus ihren Preis haben: Diagnose Krebs. Als Literaturwissenschaftlerin Viviane Bearing findet Thompson zwar für jede Lebenssituation und sogar das eigene Sterben blitzschnell ein passendes John-Donne-Zitat, doch die stählerne Fassade beginnt spätestens beim Beginn der Chemotherapie dahinzuschwinden.

Mit theaterhafter Steifheit, peinlichen Rückblenden (die glatzköpfige Thompson in Kleinmädchenpose vor ihrem Vater) und in die Kamera gesprochenen Monologen inszeniert Nichols hier letztlich einen Gang nach Canossa: die Kapitulation der rationalistischen Gelehrten vor der eigenen Vergänglichkeit. Mit der Darstellung von Krebskranken ergeht es dem Kino jedoch so ähnlich wie mit KZ-Häftlingen: Je vermeintlich realistischer, desto peinlicher und damit kontraproduktiver.

Wer eine Schauspielerin wie Emma Thompson zur Hand hat, die durchaus in der Lage wäre, sich mit der Psyche einer Krebskranken auseinander zu setzen, muss sie nicht ausgiebig beim Kotzen, Weinen und Wimmern filmen. Zumal der Fim auch noch perfide andeutet, dass die Akademikerin wegen ihrer zickenhaften Penetranz und beruflichen Straightheit (Hausarbeiten werden gefälligst pünktlich abgegeben!) von keiner einzigen Menschenseele im Krankenhaus besucht wird. Mit dem Schlussauftritt einer Kollegin und Strickjackenoma, die eigentlich nur in die Klinik gekommen ist, um ihrem Enkel etwas vorzulesen, führt Nichols schließlich vor, wie man auch als verdiente Wissenschaftlerin sympathisch, familienkompatibel und krebsfrei altern kann.

Tornatore, Leconte, Nichols & Co – alles Regisseure, denen man am liebsten Pam Grier mit Knarre und weißem Hosenanzug auf den Hals schicken würde.

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