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Henning, Michael und die Kellies

■ Wie die Kultur einen Koalitionskrach anzettelt und – schlichtet

Es ist ein großes Kreuz in unserer kleinen Stadt: Kulturelle Highlights sind rar – allemal viel zu rar für diejenigen, die viel mehr Touristen nach Bremen und denen das Geld aus der Tasche locken wollen.

Nun aber dringt frohe Kunde aus dem Bremer Rathaus. Es kündigt sich ein echter Knaller an. Michael Jackson Megastar kommt, und seine Konzertagentur hat angefragt, ob Bürgermeister Henning Scherf (SPD) dem piepsenden Teeny-Idol Audienz gewähren würde – wahrscheinlich war das eher umgekehrt gemeint – egal. Jedenfalls: Das Rathaus hat schon signalisiert, daß der Herr Bürgermeister gerne den Herrn Sänger empfangen werde.

Sen-sa-tio-nell! Schon die Vorstellung einer gemeinsamen Performance von Weltstar und Provinzbürgermeister läßt die Herzen höher schlagen.

Sagen wir mal, auf dem Rathausbalkon: Michael, mit Mundschutz und wie immer begleitet von seinem Schimpansen, gibt einen seiner Quietschlaute von sich und faßt sich standesgemäß ans Gemächt – und der lange Henning breitet die Arme aus und segnet grinsend die juvenilen Massen. Das wäre schön!

Viel zu schön, denn eine Frage bleibt offen: Was ist mit der CDU? Schließlich werden wir von der Großen Koalition regiert, und da müßte der Christdemokrat Ulrich Nölle auch eine Rolle kriegen. Jackson und der Affe – Scherf und Nölle – nein, das geht so nicht. Aber die Lösung ist schon in Sicht: In ein paar Wochen kommen nämlich noch mal Superstars ins Fußballstadion.

Da wird die Kelly-Family zuverlässig die heileheile Welt hochleben lassen, und die passen viel besser in die politische Landschaft Bremens als das ewige Wunderkind. Wo doch Scherf und Nölle schon als das vierfüßige Harmonium bezeichnet werden.

Da hätten wir dann auch einen politisch-kulturell versöhnlichen Titelvorschlag für die ganz große Koalition von Ulli, Kelly und Henning, und alles wird gut: Sometimes I wish I were an angel. Sometimes I wish I were you.Jochen Grabler

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