handke : Heine hätte nicht gekniffen
Zu häufig werden gesellschaftspolitische Auseinandersetzung in NRW unter den Teppich gekehrt. So war es bei der Synagogen-Installation des spanischen Künstlers Santiago Sierra in Pulheim. Und jetzt wiederholt sich die Streitvermeidung: Die Querelen um die Vergabe des Heinrich-Heine-Preises an den umstrittenen Schriftsteller Peter Handke werden mit einer Absage des Dichters beendet. Es ist es überflüssig, nach den Schuldigen zu fragen. Beide Seiten haben sich lieber lächerlich gemacht, als eine heilsame Konfrontation zu suchen. Wiederum kneift ein Kunstschaffender vor Leitkultur-Schützern. Schlimmer: Handke kneift vor kleingeistigen Stadtpolitikern, die sein Werk kaum gelesen haben.
KOMMENTAR VONPETER ORTMANN
In der Landeshauptstadt wurden in den vergangenen Wochen Haltungen vertreten, die das Triviale nie verließen. Längst revidierte Aussagen Handkes wurden etwa von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hervorgekramt. Ohne Beweise wurde der Dichter kurzerhand zum „Barden eines Diktators“ erklärt. NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) zieh die unabhängige Jury geschichtsvergessen. „Eigensinnig wie Heine verfolgt Peter Handke in seinem Werk seinen Weg zu einer offenen Wahrheit“, hatte die Jury des Heine-Preises ihre Entscheidung begründet. Und das muss natürlich zu Komplikationen führen. Denn wer will schon eine andere Wahrheit, als die eigene hören.
Umgekehrt hat auch Handke beleidigt die Eigensinnigkeit abgestreift und den dümmsten aller Striche unter die Angelegenheit gezogen. Anstatt den Disput heilsam auf die Spitze zu treiben, und den Rat der Stadt in die Enge, gibt er dessen Mitgliedern die Chance, sich aus der Affäre zu ziehen. Und das zu einem Zeitpunkt, als sie endlich ins Grübeln gerieten. Die Leitkultur-Protagonisten werden sich nun schulterklopfend in Schützengräben zurückziehen. Peter Handke, Ihr Kneifen ist nicht im Sinne Heinrich Heines!